Montag, 8. Januar 2018
Wahrheit oder Kunst? (Akin versus Schorlau)
Aus gegebenem Anlass stelle ich fest, dass man doch misstrauisch sein sollte wenn ein Kunstwerk zu gut funktioniert: Als ich vor zwei Wochen „Aus dem Nichts“ sah, war ich tief gerührt, verließ ergriffen das Kino, dankbar, dass jemand die Sicht der Opfer auf so großartige Weise in Szene setzt. Natürlich war mir klar, dass es gewagt ist, wie diese Geschichte alle Brisanz und alles Politische aus dem NSU-Fall rausnimmt und nur das Menschliche sieht. Aber ich fand das mutig. Erst nach und nach fiel mir auf, wie geschickt Bohm/Akin da alle Knöpfe gedrückt haben, mit denen man mittelalte Mitte-Links-Mittelklasse-Leute wie mich dazu bringt, die Taschentücher rauszuholen (der etwas unsolide, aber herzensgute Anatole, der „gute Deutsche“, die nette Szenefrau mit den zerrissenen Jeans usw.). Und erst nach längerem Nachdenken wurde mir klar, dass dieser Film sicher gut erdacht und künstlerisch qualitätvoll ist, aber nicht gerade mutig – eher im Gegenteil.
Und ich werde im Nachhinein verständnisvoller betreffs der „schützenden Hand“, diesem NSU-Krimi von Wolfgang Schorlau, der in literarischer Hinsicht ziemlich lausig ist, zudem unangenehm pingelig in seiner Detailversessenheit, aber eben gut recherchiert und von einem ehrlichen Aufklärungswillen beseelt. Denn was hilft ein großer Wurf wie „Aus dem Nichts“, wenn er im Grunde dazu auffordert, über der Rührung die Wahrheit zu vergessen?

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Tja, die Wahrheit.
Was genau das ist, weiß man in diesem Fall ja nicht so genau. Da gab es neulich im ZDF einen Krimi zum Thema NSU, der die richtigen Fragen stellte, da hieß es dann in den Kritiken, das Machwerk leiste Verschwörungstheorien Vorschub. Also ob die offizielle Version mit all ihren Löchern nicht die allerbilligste Verschwörungtheorie wäre.

Mutig wäre in der Tat eher, die Hintermänner und die Verstrickungen der Verfassungsschutzorgane mehr in den Fokus zu nehmen als nur auf die Human-Touch-Drüse zu drücken (so wichtig und richtig es auch ist, den Opfern Namen und Gesichter zu geben).

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Ich glaube, der ZDF-Krimi war die Verfilmung des Schorlau-Romans. Und Schorlau schreibt im Nachwort so in etwa, was Sie sagen: dass nämlich die Version des Krimis velleicht nicht die Wahrehti sei, aber auch jeden Fall glaubhafter als die Version der Bundesanwaltschaft. (Was allerdings auch keine Kunst ist.)

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