Freitag, 4. Dezember 2015
Nochmal: Falscher Glanz oder ehrliches Mittelmaß – diesmal am Beispiel von Klaus Modick
Auf Klaus Modick wurde ich aufmerksam durch einen schönen Essay in der Neuen Zürcher Zeitung, in dem er beschrieb, wie er Unterhaltungsschriftsteller wurde: indem er nämlich eher durch Zufall hinter das Erfolgsrezept kam und - einmal erfolgreich – lieber damit sein Brot verdienen wollte als sich brotlos um große Kunst zu bemühen, von der noch ziemlich unklar war, ob sie ihm je gelingen würde. Mir war das sehr einleuchtend, zumal mich dabei einige persönliche Parallelen anrührten: Wie Modick, nur 15 Jahre später, habe ich eine literaturwissenschaftliche Dissertation verfasst und dabei wesentlich mehr Spaß am Schreiben als an wissenschaftlicher Theorie gehabt, und Modicks Doktorvater Mandelkow bin ich in meinen beiden ersten Semestern auch noch begegnet: Er war es, der überhaupt erst mein Interesse an der wissenschaftlichen Seite der Literaturbetrachtung weckte, die dann einige Jahre mein berufliches Leben dominierte.
Ich las dann noch mehr von diesem Autor, viel Freude hatte ich auch an „Bestseller“, einer kolportagemäßig geschriebenen, aber hochkomischen Abrechnung mit dem Literaturbetrieb, in der er seinen Frust darüber ablässt, dass er, der beim „U“-Literatur-Schreiben immerhin noch Maß hält und es nicht übertreibt, ins Hintertreffen gerät gegenüber denen, die die Gruseligkeiten der jüngeren Vergangenheit recht skrupellos zu Lesefutter verarbeiten und das den Lesern dann auch noch als „e“ wie ernsthaft verkaufen, wie Hans Magnus Enzensberger z. B. mit seiner Anonyma oder dieser Frauen-Flüchtlings-Roman (den ich jetzt nicht namentlich erwähnen möchte, weil ich ihn nicht gelesen habe und nicht ganz ausschließen kann, dass er vielleicht doch nicht so schlecht ist). Auch viele von Modicks Büchern arbeiten nach dieser Methode: der Stoff die jüngere Vergangenheit, die Story eingängig, ein bisschen Bildung, ein bisschen Kolportage, ein bisschen Politik. Aber bei ihm ist es elegant („Sunset“), manchmal sogar richtig bewegend („Die Schatten der Ideen“) - und immer richtig klug.
Er weiß eben, wie’s funktioniert. Und dann wird man wahrscheinlich eben doch irgendwann schwach und sagt sich: Mit ein bisschen weniger Aufwand geht’s doch auch: Da nahm er die schöne Grundidee von „Sunset“: das gegensätzliche Künstlerpaar. Aus Feuchtwanger/Brecht wurden Vogeler/Rilke. Er machte es auch etwas eindeutiger, also platter (Rilke-Bashing kommt immer gut); am Ende noch genügend Worpswede-Folklore drangemischt: fertig. Und siehe da: Das Publikum liebt es. Mehr als seine besseren Bücher. Und da man bei Erfolg nie aufhören darf, sondern noch einen draufsetzen muss, kommt jetzt „Bestseller“ als Taschenbuch neu raus und tut so, als wäre es das nagelneue Werk „Vom Autor des Bestsellers „Konzert ohne Dichter“, wie das Cover verkündet (nirgends ein Hinweis auf die Erstveröffentlichung). Das funktioniert garantiert.
Sogar bei mir, der „Bestseller“ damals als Bibliotheksexemplar, also auf Staatskosten, las, und als ich es jetzt in der Buchhandlung liegen sah, kamen schöne Erinnerungen hoch – und ich habs mir jetzt doch gekauft und les es nochmal, mit Genuss.
Dabei ist es ein schwacher Trost, dass ich vor einigen Monaten auf dem Grabbeltisch mit den aussortierten Titeln der Bücherhallen nicht den dicken Roman von der „Mittagsfrau“ kaufte für einen Euro, sondern Modicks schmales Bändchen „Moos“, das sich dann zwar nicht als das große Kunstwerk darstellte, als das er es selbst in seinem Essay angepriesen hatte, aber doch als ein qualitätvolles, kluges, sympathisches Buch, kein Geniestreich, sondern solides, ehrliches Mittelmaß. Warum liest man nicht mehr davon?

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