Mittwoch, 13. August 2014
Den Staat zur Räson bringen
damals, 01:33h
Gestern las ich in der Süddeutschen Zeitung, die Sicherheitspartnerschaft der Bundesrepublik Deutschland zu den USA sei Staatsräson und stehe als solche in ihrer Gewichtung über den Forderungen des Grundgesetzes. Komisches Wort: „Staatsräson“. Ich kannte es ich bisher nur von der Freundschaft zu Israel, die ja auch „Staatsräson“ sein soll. Für mich klingt es irgendwie nach „räsonieren“, also „besserwisserisch herumnörgeln“. Mit Vernunft jedenfalls, wie die Wortherkunft nahelegt, scheint es nichts zu tun zu haben.
Wahrscheinlich ist „Staatsräson“ so etwas wie eine politische Richtlinie oder Willensbekundung. An sich ja etwas Sympathisches in unserer pragmatismus-verseuchten politischen Landschaft. Nur wieso solche Willensbekundungen sich über die demokratischen Forderungen des Grundgesetzes erheben sollen, das will mir nicht einleuchten.
Wahrscheinlich ist „Staatsräson“ so etwas wie eine politische Richtlinie oder Willensbekundung. An sich ja etwas Sympathisches in unserer pragmatismus-verseuchten politischen Landschaft. Nur wieso solche Willensbekundungen sich über die demokratischen Forderungen des Grundgesetzes erheben sollen, das will mir nicht einleuchten.
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haruwa,
Montag, 18. August 2014, 16:53
Ach ja...
...über die "raison d´état" könnte man historisch sehr viel schreiben. Erfunden wurde sie ja von den intellektuellen Vordenkern des fürstlichen Absolutismus in der Frühen Neuzeit. Ich weiß jetzt aus dem Ärmel geschüttelt nicht, ob sie bereits bei Macchiavelli vorkommt - der Sache nach mit Sicherheit, aber ob auch dem Begriff nach - wahrscheinlich eher nicht, weil der Staatsbegriff eigentlich auch erst eine Erfindung des 17. Jahrhunderts ist - samt dem dazugehörigen Phänomen des Staates, jedenfalls in Europa. Auch ist der Begriff der "raison" = Vernunft eng mit der Philosophie der Aufklärung des 18. Jahrhunderts verbunden. In den Zeiten von Friedrich II. und Joseph II. und Katharina II. wurde er benutzt, um die Beseitigung der ständischen Adelsherrschaft durch die absolute Monarchie zu rechtfertigen, mit der üblichen Argumentation in den zeitgenössischen staatsgelehrten und philosophischen Schriften: der Staat verkörpert ein "vernünftiges", nämlich an rationalen Prinzipien orientiertes "Regiment" und der Monarch verkörpert als "oberster Diener" des Staates damit auch dessen vernünftige Prinzipien - und diesen dürfe sich nicht die "abgeschmackte" mittelalterliche Adelswirtschaft entgegen stellen bzw. der Monarch habe als Sachwalter des Staates dort, wo sie das tut, das Recht, sie abzuschaffen. Nach der Französischen Revolution transformierte sich der Begriff dann in antidemokratische Richtung - im 19. Jahrhundert legitimierte die "raison d´état" dann den ganz kurzen Prozess, der mit Demokraten und anderen Revolutionären gemacht wurde. Im Namen der Vernunft des Staates, deren oberster Repräsentant schließlich der Monarch war. Ob diejenigen, die heute von "Staatsräson" sprechen und schreiben, gut genug in Französisch sind um zu wissen, dass "Räson" eigentlich Vernunft meint, weiß ich natürlich nicht - und auch nicht, ob ein historisches Phänomen wie der Staat wirklich nach vernünftigen Prinzipien funktioniert. Ich habe jedoch den Verdacht, dass einige der heutigen VerwenderInnen dieses Begriffs nicht so gut in Geschichte des 18. Jahrhunderts waren und sich deshalb lieber am 19. orientieren...
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