Freitag, 19. April 2013
"Mobbing" - Fernsehfilm nach einem Roman von Annette Pehnt
Sowas gibt’s also auch, dass ein ganz normaler Fernsehfilm mich mehr in seinen Bann zieht als der zugrunde liegende Roman. So jedenfalls ging es mir mit dem Film „Mobbing“ nach dem gleichnamigen Roman.
Natürlich war auch dieser ein Fernsehfilm nur ein Fernsehfilm: nicht ganz kitschfrei, und die weibliche Hauptfigur musste ihr Gesicht ein paar Mal zu oft mit Leidensmiene in die Kameratotale halten, die Nebenfiguren der Eltern/ Schwiegereltern waren küchenpsychologisch einfach geschnitzt, und dass es um den Machtverlust eines patriarchal empfindenden Mannes geht, das hätten wir auch ohne die hässliche und unglaubhafte Vergewaltigungsszene verstanden.
Trotz dieser etwas groben Oberfläche aber zeigt der Film ein tieferes Verständnis der geschilderten Vorgänge als die gepflegte, genau erzählte, aber spröde und reflexionsarme Romanvorlage.
Annette Pehnt, die Romanautorin, hat mit „Mobbing“ eine – rein vom Stoff her - tolle Geschichte präsentiert, einen geradezu prototypischen Fall: Da ist ein Mann mit einem gut bezahlten Job bei der Stadtverwaltung, er kann sich ein Reihenhaus für die Familie und für seine Frau eine wenig lukrative kreativ-freiberufliche Tätigkeit leisten. Im Dienst ist er ein Macher: Da die Chef-Position wohl aus Kostengründen seit längerem vakant ist, organisiert er – gemeinsam mit einem befreundeten Kollegen – äußerst erfolgreich die ganze Abteilung. Endlich wird die Abteilungsleiterstelle doch wieder besetzt, mit einer Frau, die von außen kommt, ehrgeizig und ahnungslos ist. Der Machtkonflikt ist vorprogrammiert, binnen kurzem geht die neue Chefin in die Offensive, bringt mit Zuckerbrot und Peitsche die subalternen Mitarbeiter auf ihre Seite und drängt die beiden informellen Führungspersönlichkeiten per Mobbing in die Ecke. Nicht lange, und der befreundete Kollege gibt auf, als Single kann er es sich erlauben, einen befristeten Job in einem anderen Bundesland anzunehmen. Der Hauptheld aber sitzt fest in seinem Reihenhaus, verbeißt sich in einen einsamen, kohlhaasartigen Kampf mit seiner überlegenen Gegnerin, zunehmend beargwöhnt von seiner eigenen Frau, die er an seinen Nöten aus Scham nicht teilhaben lässt und die – schwankend zwischen Existenzangst und Verständnislosigkeit gegenüber der (gelinde gesagt) Verhaltensänderung des einst geliebten Mannes - sich immer mehr aus der Beziehung zurückzieht.
Was mich an dieser an sich sehr stimmigen Geschichte beim Lesen störte, das war die subjektive Erzählhaltung aus der Sicht der Frau - einer Frau, die sich zusammen mit ihrem Mann für ein sehr traditionelles Familienmodell entschied, das nun vor der Katastrophe steht, und die nicht mal ansatzweise ihr eigene Rolle in dem Spiel begreift, die nur immer verzweifelter überlegt, ob ihrem Mann, dem Ernährer, nur so übel mitgespielt wird oder ob er selber es ist, der da durchdreht. Als ob das irgendeine Rolle spielen würde.
Der Film variiert diese ahnungslose Ehefrauensicht in einigen kleinen, aber entscheidenden Details. Im Film haben die beiden das Haus noch nicht gekauft, sie könnten noch raus aus der Nummer. Und die Frau denkt sogar daran. Außerdem wird die neue Chefin durch einen kurzen Satz über ihren Ehrgeiz („die geborene Chefin“) und durch ihren Namen („Dr. Elke Schulz““) als Luftnummer und Karrieristin gezeichnet. Von ihrem Gegenspieler, Hauptfigur und Ehemann Jo, können wir vermuten, dass er, obwohl selbst solide und vernünftig, im Hass auf solche Personen fixiert ist, da er eine penetrante, karriereorientierte Mutter hat, während die Eltern von Ehefrau Anja konservativ bodenständig daherkommen, was Anjas Rolle als Heldin verstärkt.
Diese Dramaturgie ist sicherlich kitschig und kulturpessimistisch, aber sie öffnet zumindest den Blick auf die politische Dimension des Konflikts, weist über die scheinbar unerklärliche Bosheit der Mobbenden (in der Romanfassung) hinaus. Auch Anja hat sich im Film (anders als im Buch) beruflich nicht durchsetzen können, ihre Freiberuflichkeit ist als bürgerlicher Luxus getarntes Scheitern. Dadurch rückt sein Problem in einen größeren Zusammenhang, einen, den sie auch kennt, den wir alle kennen: Dieses Mobbing ist kein individuelles Problem, es ist Ausdruck der sich verschlechternden Zustände im Arbeitsleben: Die fetten Jahre sind vorbei. Wenn die Futternäpfe weniger werden, dann wird brutaler um sie gekämpft.
Das Schöne an dem Film war, das es einen Ausweg zeigt: Es lohnt sich nicht, seine Würde dranzugeben, nur um ein Reihenhaus zu finanzieren. Wenn wir es schaffen, von dem Wohlstandsdenken der westdeutschen siebziger/achtziger Jahre runterzukommen (all meine Studienfreunde hatten Elternhäuser in den Vorstädten mit den dazugehörigen dicken Bankkonten, Zeitung lesenden Vätern und sich langweilenden Müttern), dann reicht es allemal noch locker, unsere Kinder vernünftig großzuziehen.
Frau von der Leyen hat das übrigens längst erkannt.

... comment

<