Dienstag, 15. Mai 2012
Which side are you on?
Diese Frage kann ernst gemeint sein. Sie kann aber auch eine Falle sein, ein Trick, um dich ideologischen Interessen von irgendjemandem unterzuordnen. "Sag mir, wo du stehst ..." - die Ossis unter uns erinnern sich sicher an diese Liedzeile als widerlich, als Unterdrückungsinstrument. "Wenn die Lehrerin sagt: Jetzt wollen wir mal ganz offen und ehrlich unsere Meinungen austauschen", so fasste meine coole Schwester das Problem mal zusammen, "da gibt es nur eins: Wegducken!"
Schon in der DDR habe ich diese Kunst nicht richtig beherrscht: Ich hab mich von billigen Provokationen immer aus der Reserve locken lassen. Und auch jetzt regen mich Feuilleton-Diskussionen häufig auf, ich tippe meine Meinung in irgendwelche Foren – wenn ich sie meiner Frau erzähle, lächelt sie meist nachsichtig – und sogar, wenn Sie hier in meinem Blog unter dem Thema "Politik" nachgucken, werden Sie ziemlich viel heiße Luft von gestern finden.
Natürlich bemühe ich mich, gelassen zu bleiben. Und immerhin habe ich es geschafft, die unselige Diskussion über das ebenso unselige Grass-Gedicht aus meinem Blog herauszuhalten. Denn mir war von Anfang an klar, dass so ein dumpf-müffeliges Gedicht des unsympathischen Günter Grass kaum zu verteidigen ist, auch wenn es in der Sache einleuchtet.
Jetzt im Nachhinein, die Debatte ist – Gott sei Dank – überstanden, wird mir klar, dass einfach die Fronten falsch gesetzt waren in dieser Diskussion: Ob nun Grassens Gedicht stilistisch gut oder schlecht ist, seine Argumente stichhaltig oder widerlegbar – wen interessiert das?
Was interessiert, ist die Sache: Im Nahen Osten droht Krieg, und es gibt Leute, die diesen Krieg wollen. Auf der anderen Seite stehen die Leute, die keinen Krieg wollen. So einfach ist das.
"Which side are you on?" Dieses schöne Lied von Billy Bragg begegnete mir neulich bei che wieder. Und dieser Frage traue ich, die beantworte ich gerne: Ich stehe auf der Seite der Leute, die keinen Krieg wollen.

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Bravo! Besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können.

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Danke.

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bezieh doch mal stellung, sagt das objekt gerne, nur um dann selbst völlig indifferent zu bleiben. eine gute strategie. funktioniert nur nicht in freundschaft.

man sollte sich nicht aus der reserve locken lassen, bevor auch die anderen ihre karten gelegt haben, denke ich manchmal, aber irgendwer muss ja den ersten schritt machen. klar hat man dann die arschkarte gezgen. kann sich aber morgen früh noch in den spiegel schauen, ungeschminkt + unverblümt.

ansonsten: yes, peace. auch wenn das für mich persönlich nicht bedeutet: konfliktfrei, harmonisch. ein starkes land verträgt auch kontroversen. ein starker mensch kann seine meinung äußern, dabei in einer diskussion den kürzeren ziehen und trotzdem souerän bleiben. die schwachen, die hysterischen unter uns sind meist diejenigen, die für demagogische thesen anfällig sind. das muss man auch den schülern beibringen. sie gelassen machen. aber nicht unangreifbar.

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Ja, das Objekt-Beispiel zeigt es deutlich: Stellung beziehen und Fairness gehören irgendwie zusammen. Das eine geht nicht ohne das andere: Stellung beziehen, wo die Fairness fehlt, ist naiv - indifferent bleiben, wo sie da ist, schwach und falsch.

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Ich stehe auf der Seite der Leute, die keinen Krieg wollen.
Das Schwierige daran ist, dass die meisten Menschen der Meinung sind, sich auf dieser Seite zu befinden. Wenn man zum Beispiel bei dem unseligen Grassgedicht bleibt – in der Diskussion darüber unterstellen ja alle Seiten der jeweils anderen Seite, dass diese den Krieg will während man selbst natürlich völlig friedfertig ist und quasi in die Situation der Notwehr gedrängt wird.

Über Ziele streitet man sich meistens nicht, sondern um den Weg zur Erreichung desselben und meist sind die Menschen felsenfest davon überzeugt, dass der eigene Wege der einzig wahre und richtige ist. Politische und religiöse Theorien unterscheiden sich in ihren Zielvorstellungen oftmals nur geringfügig. Der große Streit entsteht erst bei dem Weg dorthin. Sehr deprimierend, wenn man bedenkt, dass die konkrete Gegenwart geopfert wird für ein abstraktes Ziel, das wahrscheinlich niemals erreicht wird.

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Letztlich geht es doch darum, konsequent friedlich zu sein. Dabei gilt es, verquere Terminologien als solche zu entlarven.

Denn ein "Präventivschlag" ist nichts weiter als ein Angriff, und die "asymmetrische Bedrohungslage" (Afghanistan, damals Minister Jung) war auch bloß eine nette Umschreibung für Krieg.

Es fängt halt damit an, dass man Umstände richtig benennen lernt. Vor dem Hintergrund ist die israelische Siedlungspolitik eindeutig aggressiv und muss meiner Auffassung nach kritisiert werden dürfen. Vieles andere übrigens auch.

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@behrens: Sie sagen: "in der Diskussion darüber unterstellen ja alle Seiten der jeweils anderen Seite, dass diese den Krieg will" - nun ja, vermutlich haben ja auch beide Seiten Recht damit, zumindest teilweise. Ich bin aber auch überzeugt davon, dass es auf beiden Seiten, sogar in den beiden verfeindeten Regierungen, jeweils Leute gibt, die deeskalieren wollen. Wenn man die Seiten als Iran und Israel setzt, gerät man leicht in den Strudel der jeweiligen propagandistischen Drohgebährden. Das ist mir aber auch nicht gleich klar geworden.
Was die Ziele betrifft, geht es meiner Einschätzung nach um die Durchsetzung regionaler Interessen - deren Berechtigung oder Nichtberechtigung ich nicht einschätzen kann. Einschätzen kann ich nur die Wege, die beschritten werden: Diplomatie oder Kriegsdrohung.
@sturmfrau: Ganz richtig. Und die "verqueren Terminologien" - die absurdeste finde ich ja, dass unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt würde - kommen, jedenfalls hier in Deutschland, zustande, weil wir uns klare Regeln gegeben haben, was das friedliche Handeln betrifft: Laut Grundgesetz darf Deutschland keinen Angriffskrieg führen und sich auch sonst nicht an kriegerischen Handlungen beteiligen, die das Zusammenleben der Völker stören können. Krieg ist nur erlaubt, wenn das Bundesgebiet von außen angegriffen wird. Nur wollen die deutschen Regierungen seit zwei Jahrzehnten diese Regeln am liebsten nicht mehr einhalten, bauen eine militärische Truppe auf, die nach den alten Regeln gar keinen Sinn ergeben würde. Da kommt man natürlich in Erklärungsnöte. Es ist wie damals auf dem Schulhof, wenn man vom Lehrer ertappt wurde: Man weiß genau, dass man Scheiße baut, will aber auch nicht davon ablassen - und da fängt man an rumzueiern.

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