Donnerstag, 26. Mai 2011
Eitle Träume
damals, 22:26h
Da hat also Andreas Dresen sich mal wieder einen Film ausgedacht, über den Tod diesmal, und ihm den schönen Titel „Halt auf freier Strecke“ gegeben. Genau wie ich meiner Erzählung über den Tod vor ein paar Jahren. Jetzt kann ich träumen, dass Andreas Dresen von mir inspiriert wurde. Na ja, das war immer ein Traum von mir, „als namenloses Lied ins Volk zu gehen“, wie es Johannes R. Becher so schön kitschig formuliert hat. Als ich in der 11. Klasse war, wurde für die Jungen ein monatlicher Nachmittag mit Wehrsportübungen und Exerzieren eingeführt, unser Russischlehrer fungierte als Kommandeur, die Offiziersbewerber als Unteroffiziere. Natürlich bemühten wir uns, die Sache so gut wie möglich durch den Kakao zu ziehen. Es kam zum Eklat. Und vor dem Elternbeirat erklärte der Russischlehrer: "Der K., der tritt offen in Aktion, aber der damals, das ist der eigentliche Rädelsführer." Auch wenn er damit meinen Einfluss sicher überschätzt hat – ich war sehr stolz, als ich davon hörte.
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die stille,
Donnerstag, 14. Februar 2013, 15:47
Und was ist mit dem Film? Hast Du ihn mal angeschaut?
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damals,
Donnerstag, 14. Februar 2013, 19:04
Gestern. Und heute. Denn gestern hab ich nach der Hälfte abgebrochen, weil ich es nicht aushielt. Aber dann gingen mir die Bilder doch im Kopf rum und ich hab ihn heute zuende gesehen. Zum Glück: Er wird zum Schluss hin immer besser.
Es geht ja um einen Familienvater, der mit seiner Frau und zwei Kindern im nagelneu-hässlichem Eigenheim lebt und eines Tages erfährt, dass er in Kürze an einem Gehirntumor sterben wird.
Die erste Szene - der Arzt erläutert dem Ehepaar die Diagnose - war ätzend und unglaubhaft, wie bereits hier erwähnt. Auch wenn Dresen erzählt, das wäre ein echter Arzt gewesen, auch die Telefonunterbrechung wäre echt gewesen - ich kann mir keinen Arzt vorstellen, der sich sich vom Telefon unterbrechen lässt, während er diese Diagnose verkündet - höchstens einen Arzt, der sich in einer improvisiert gespielten Filmszene vom (echten) Telefon unterbrechen lässt. So viel zum Unechten des Improvisierens, das natürlich auch Dresen selbst klar ist (siehe sein Interview in der Zeit).
Danach kriegen erstmal alle ihr Fett weg: die blöden Psychologen, die blöden Mediziner, die blöden Eltern, die blöde Welt. Allein die kleine, spießige Kleinfamilie hat Bestand - und zeigt im Laufe des Films immer eindrucksvoller, wie viel besser eine solche Familie tatsächlich ein Sterben in Würde ermöglichen kann. Das war bewegend und ich kann dem nur zustimmen.
Nur frage ich mich, warum diese Geschichte ausgerechnet am Beispiel von Leuten gezeigt wird, die nicht zu leben verstehen, die nur ihre eigene murkelige kleine Welt kennen. Kein Gedanke an die Zeit nach dem Tod, kein Gedanke daran, dass man die verbleibende Zeit vielleicht auch zum Lebensgenuss nutzen könnte, ganz zu schweigen von dem Hauch einer Einsicht, das jeder Mensch Teil eines größeren Lebensganzen ist. Alles, was außerhalb dieses hässlichen Einfamilienhauses und der eigenen kleinen Existenz liegt, Psychologen, Eltern, der Job, die Exfreundin, ist hässlich und böse. (Besonders geärgert hat mich das beim Beispiel der Exfreundin, die als schön, aber übergriffig dargestellt wird - im Vergleich zur treusorgenden Ehefrau - Schönheit und Leidenschaft sind böse und Bedrohung, nur Solidarität und Zuneigung werden als "gut" gezeigt.) Fast könnte man froh sein, dass mit dem Tod endlich mal etwas wirklich Großes, Gewaltiges in dieses lächerliche Leben hineinkommt. Eigentlich wird der Protagonist immer menschlicher, je näher er dem Tod kommt.
Und ich denke an meine brandenburgische Ossi-Heimat, deren Lebensgefühl dieser Film atmet. Vielleicht gut, dort später einmal begraben zu sein. Aber leben möcht ich unter diesen Leuten nicht mehr.
Es geht ja um einen Familienvater, der mit seiner Frau und zwei Kindern im nagelneu-hässlichem Eigenheim lebt und eines Tages erfährt, dass er in Kürze an einem Gehirntumor sterben wird.
Die erste Szene - der Arzt erläutert dem Ehepaar die Diagnose - war ätzend und unglaubhaft, wie bereits hier erwähnt. Auch wenn Dresen erzählt, das wäre ein echter Arzt gewesen, auch die Telefonunterbrechung wäre echt gewesen - ich kann mir keinen Arzt vorstellen, der sich sich vom Telefon unterbrechen lässt, während er diese Diagnose verkündet - höchstens einen Arzt, der sich in einer improvisiert gespielten Filmszene vom (echten) Telefon unterbrechen lässt. So viel zum Unechten des Improvisierens, das natürlich auch Dresen selbst klar ist (siehe sein Interview in der Zeit).
Danach kriegen erstmal alle ihr Fett weg: die blöden Psychologen, die blöden Mediziner, die blöden Eltern, die blöde Welt. Allein die kleine, spießige Kleinfamilie hat Bestand - und zeigt im Laufe des Films immer eindrucksvoller, wie viel besser eine solche Familie tatsächlich ein Sterben in Würde ermöglichen kann. Das war bewegend und ich kann dem nur zustimmen.
Nur frage ich mich, warum diese Geschichte ausgerechnet am Beispiel von Leuten gezeigt wird, die nicht zu leben verstehen, die nur ihre eigene murkelige kleine Welt kennen. Kein Gedanke an die Zeit nach dem Tod, kein Gedanke daran, dass man die verbleibende Zeit vielleicht auch zum Lebensgenuss nutzen könnte, ganz zu schweigen von dem Hauch einer Einsicht, das jeder Mensch Teil eines größeren Lebensganzen ist. Alles, was außerhalb dieses hässlichen Einfamilienhauses und der eigenen kleinen Existenz liegt, Psychologen, Eltern, der Job, die Exfreundin, ist hässlich und böse. (Besonders geärgert hat mich das beim Beispiel der Exfreundin, die als schön, aber übergriffig dargestellt wird - im Vergleich zur treusorgenden Ehefrau - Schönheit und Leidenschaft sind böse und Bedrohung, nur Solidarität und Zuneigung werden als "gut" gezeigt.) Fast könnte man froh sein, dass mit dem Tod endlich mal etwas wirklich Großes, Gewaltiges in dieses lächerliche Leben hineinkommt. Eigentlich wird der Protagonist immer menschlicher, je näher er dem Tod kommt.
Und ich denke an meine brandenburgische Ossi-Heimat, deren Lebensgefühl dieser Film atmet. Vielleicht gut, dort später einmal begraben zu sein. Aber leben möcht ich unter diesen Leuten nicht mehr.
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die stille,
Mittwoch, 20. Februar 2013, 00:42
ich habe mir den film
gerade auch angesehen. es ging mir beim letzten film von andreas dresen schon so, dass ich an ein paar stellen froh war, spulen zu können - das tat ich auch hier und vielleicht war es das, was du mit "nicht ausgehalten" empfunden und bezeichnet hast. (überlange einstellungen, die die tristesse unterstrichen).
was mir an dieser familie aufgefallen ist, ist, dass sie keine freunde hatten, oder? piefig hast du ihr leben genannt und wenn ich mir die familie anschaue, die ja noch recht jung sind, ist da in der tat "wenig los". wie kommt das? es wirkt alles sehr öd. der protagonist war mir eher unsympathisch als sympathisch - was vermutlich absicht war, um eine gewisse distanz zu bekommen.
was ich be-rührend fand an momenten war, als er ihr die nägelkistchen beschriftet hat, damit sie sich nach seinem tod zurecht findet darin. (du schreibst, sie hätten sich keine gedanken gemacht über das leben "danach"). in einer szene ist es so, dass die frau des protas sagt: (aus der erinnerung zitiert) "ja, du hast deine krankheit aber ich muss mit dem ganzen mist weiter leben".
ich habe es auch so empfunden, dass der film, je weiter die geschichte schritt, "besser" wurde. weinen musste ich in keiner einzigen szene. berührt hat mich, als die frau zur ärztin sagte: "ich wünsche mir, es wäre soweit. ich halts nicht mehr aus".
sterben zuhause, ja, das ist "schöner", als in den sterilen zimmern eines krankenhauses. aber dieser film zeigt auch die belastung der familie. andererseits habe ich es als außenstehende als "richtig gelöst" empfunden - sie haben sich zusätzliche hilfe geholt und konnten so zusammen sein.
was die erste szene angeht: sie ist gemacht, wegen ihrer wirkung. echt wirkt sie nicht. das telefonat ist auch absicht, denke ich. was es verdeutlichen soll, so verstehe ich es, ... während den beiden etwas ungeheuerliches mitgeteilt wird, dreht sich die welt weiter (und die beiden sind sprachlos erstarrt). dafür war diese unglaublich lange, starre einstellung, denke ich.
"ihr fett weggekriegt" hat m.e. niemand. die beiden saßen allem recht teilnahmslos und unbeweglich gegenüber. das spiegelte sich in allem wider. so habe ich es gesehen. ich fand aber, dass beide szenen sowas absurdes hatten, wie die frauen jeweils aussahen und redeten. das war alles irgendwie skurril und "fremd".
"lebensgenuss" haben sie ja probiert, als sie ins tropical island fuhren. da wurde ja noch mal deutlich, dass sie "viel vor hatten, es aber nie gemacht hatten" - aber heute fahren wir dann mal hin.
darf ich was fragen? was meinst du mit, ich zitiere dich: "ganz zu schweigen von dem Hauch einer Einsicht, das jeder Mensch Teil eines größeren Lebensganzen ist."
?
dieser film wirkt noch nach, da bin ich ziemlich sicher. das hier war ein spontanes feedback, quasi direkt nach dem film.
er hat mir gefallen, der film. ob ich ihn allerdings empfehlen würde, ... weiß ich noch nicht. sehenswert ist er aber.
liebe grüße von nebenan,
die stille
was mir an dieser familie aufgefallen ist, ist, dass sie keine freunde hatten, oder? piefig hast du ihr leben genannt und wenn ich mir die familie anschaue, die ja noch recht jung sind, ist da in der tat "wenig los". wie kommt das? es wirkt alles sehr öd. der protagonist war mir eher unsympathisch als sympathisch - was vermutlich absicht war, um eine gewisse distanz zu bekommen.
was ich be-rührend fand an momenten war, als er ihr die nägelkistchen beschriftet hat, damit sie sich nach seinem tod zurecht findet darin. (du schreibst, sie hätten sich keine gedanken gemacht über das leben "danach"). in einer szene ist es so, dass die frau des protas sagt: (aus der erinnerung zitiert) "ja, du hast deine krankheit aber ich muss mit dem ganzen mist weiter leben".
ich habe es auch so empfunden, dass der film, je weiter die geschichte schritt, "besser" wurde. weinen musste ich in keiner einzigen szene. berührt hat mich, als die frau zur ärztin sagte: "ich wünsche mir, es wäre soweit. ich halts nicht mehr aus".
sterben zuhause, ja, das ist "schöner", als in den sterilen zimmern eines krankenhauses. aber dieser film zeigt auch die belastung der familie. andererseits habe ich es als außenstehende als "richtig gelöst" empfunden - sie haben sich zusätzliche hilfe geholt und konnten so zusammen sein.
was die erste szene angeht: sie ist gemacht, wegen ihrer wirkung. echt wirkt sie nicht. das telefonat ist auch absicht, denke ich. was es verdeutlichen soll, so verstehe ich es, ... während den beiden etwas ungeheuerliches mitgeteilt wird, dreht sich die welt weiter (und die beiden sind sprachlos erstarrt). dafür war diese unglaublich lange, starre einstellung, denke ich.
"ihr fett weggekriegt" hat m.e. niemand. die beiden saßen allem recht teilnahmslos und unbeweglich gegenüber. das spiegelte sich in allem wider. so habe ich es gesehen. ich fand aber, dass beide szenen sowas absurdes hatten, wie die frauen jeweils aussahen und redeten. das war alles irgendwie skurril und "fremd".
"lebensgenuss" haben sie ja probiert, als sie ins tropical island fuhren. da wurde ja noch mal deutlich, dass sie "viel vor hatten, es aber nie gemacht hatten" - aber heute fahren wir dann mal hin.
darf ich was fragen? was meinst du mit, ich zitiere dich: "ganz zu schweigen von dem Hauch einer Einsicht, das jeder Mensch Teil eines größeren Lebensganzen ist."
?
dieser film wirkt noch nach, da bin ich ziemlich sicher. das hier war ein spontanes feedback, quasi direkt nach dem film.
er hat mir gefallen, der film. ob ich ihn allerdings empfehlen würde, ... weiß ich noch nicht. sehenswert ist er aber.
liebe grüße von nebenan,
die stille
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damals,
Dienstag, 26. Februar 2013, 18:50
Entschuldige die späte Antwort - bloggen ist ja wie emailen: entweder sofort oder viel, viel zu spät. Ich neige zum Letzteren.
Offenbar sind wir uns in der Bewertung des Films recht einig (Gut, die Szene mit den Nägeln, die in der Tat berührend war, hab ich unterschlagen, um die Pauschalität meines Urteils nicht zu gefährden).
Mit "ihr Fett weggekriegt" meinte ich nicht die Protagonisten, sondern den Regisseur - es war schon spürbar, das er gegenüber Psychologen voreingenommen ist, gegenüber esoterischen schon erst recht, und auch gutbürgerliche Eltern nicht mag. (Vergleichsweise ist ja die Sicht auf die saufende Schwiegermutter des Haupthelden eher freundlich). Aber wenn du andere Dresenfilme kennst, weißt du ja, dass er Bürgerliches eher schlecht macht, Prolliges eher feiert. Eine Haltung, die ich nicht teile (ich liebe es sowohl bürgerlich als auch prollig, je nachdem).
Mit "größerer Lebenszusammenhang" meine ich, dass jeder Mensch als Individuum sterben muss und sich schon daher in einen größereren Zusammenhang stellen sollte, um nicht in Selbstmitleid zu vergehen: Jeder hat Vorbilder und Vorfahren, aus denenen sein Ich sich speist, und jeder hinterlässt Freunde, Verwandte, oft auch Nachfahren, jedenfalls Menschen, die sich (auch) an ihm gebildet haben. So sollte man das sehen, und diese Ebene interessierte den Film offenbar gar nicht. Immer nur das kleine, hilflose, proletarische Ich. Das ist mir zu eng.
Offenbar sind wir uns in der Bewertung des Films recht einig (Gut, die Szene mit den Nägeln, die in der Tat berührend war, hab ich unterschlagen, um die Pauschalität meines Urteils nicht zu gefährden).
Mit "ihr Fett weggekriegt" meinte ich nicht die Protagonisten, sondern den Regisseur - es war schon spürbar, das er gegenüber Psychologen voreingenommen ist, gegenüber esoterischen schon erst recht, und auch gutbürgerliche Eltern nicht mag. (Vergleichsweise ist ja die Sicht auf die saufende Schwiegermutter des Haupthelden eher freundlich). Aber wenn du andere Dresenfilme kennst, weißt du ja, dass er Bürgerliches eher schlecht macht, Prolliges eher feiert. Eine Haltung, die ich nicht teile (ich liebe es sowohl bürgerlich als auch prollig, je nachdem).
Mit "größerer Lebenszusammenhang" meine ich, dass jeder Mensch als Individuum sterben muss und sich schon daher in einen größereren Zusammenhang stellen sollte, um nicht in Selbstmitleid zu vergehen: Jeder hat Vorbilder und Vorfahren, aus denenen sein Ich sich speist, und jeder hinterlässt Freunde, Verwandte, oft auch Nachfahren, jedenfalls Menschen, die sich (auch) an ihm gebildet haben. So sollte man das sehen, und diese Ebene interessierte den Film offenbar gar nicht. Immer nur das kleine, hilflose, proletarische Ich. Das ist mir zu eng.
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die stille,
Montag, 4. März 2013, 15:36
du bist nicht so
regelmässig hier, das ist mir aufgefallen. :) den vergleich mit bloggen und emailen finde ich passend. ich schaffe es auch nicht immer sofort, zu antworten. schön, dass du jetzt zeit gefunden hast.
den gedanken mit dem lebenszusammenhang finde ich sehr interessant und inspirierend. besonders den part, an dem du schreibst, dass auch andere an einem "gewachsen" sind. (du nennst es "speist", was irgendwie auch parasitär und deshalb nicht so harmonisch-positiv klingt, aber das gibt es ja auch, auch in dem zusammenhang).
ja, das stimmt, dass dieser film aufs zeigen konzentriert war. das ist der, der erkrankte. das sind die, die damit umzugehen haben außer ihm. das ist das, was passiert. mir war es ja aufgefallen, dass es quasi keine freundschaftlichen bindungen zu geben scheint. der fokus lag also auf dem "schicksal" der kleinfamilie, irgendwo in einem reihenhaus.
lg
die stille
den gedanken mit dem lebenszusammenhang finde ich sehr interessant und inspirierend. besonders den part, an dem du schreibst, dass auch andere an einem "gewachsen" sind. (du nennst es "speist", was irgendwie auch parasitär und deshalb nicht so harmonisch-positiv klingt, aber das gibt es ja auch, auch in dem zusammenhang).
ja, das stimmt, dass dieser film aufs zeigen konzentriert war. das ist der, der erkrankte. das sind die, die damit umzugehen haben außer ihm. das ist das, was passiert. mir war es ja aufgefallen, dass es quasi keine freundschaftlichen bindungen zu geben scheint. der fokus lag also auf dem "schicksal" der kleinfamilie, irgendwo in einem reihenhaus.
lg
die stille
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