Sonntag, 13. November 2022
Hätte man früher lesen sollen: die Ursache des Islamismus
Ich lese gerade "Das neue Leben" von Orhan Pamuk, erschienen 1994. Fand es anfangs, obwohl meisterhaft geschrieben, ein bisschen idiotisch, fast lächerlich, inzwischen - nach der Hälfte des Buches - bin ich begeistert. Darin heißt es:

"So stellte sich heraus, dass wir armen Unterlegenen, die das Geschichte genannte Glücksspiel verloren haben, uns jahrhundertelang gegenseitig bombardieren, unsere Seelen und Leiber im Namen Allahs, des Buches, der Geschichte und der Welt mit Bomben, die wir in Konfektpackungen, Koraneinbände und Gangschaltungsgehäuse einbauen, gehörig in die Luft gehen lassen würden, um uns selbst glauben zu machen, dass wir wenigstens etwas gewonnen hätten, um zumindest den Geschmack des Sieges kosten zu können."

Ja, man hätte es rechtzeitig lesen sollen, vor 2001 (das Buch erschien in Deutschland wenige Monate vor dem 11. September). Und vor allem: Man sollte die Schriftsteller fragen - und zwar nicht nach ihren politischen Äußerungen, sondern nach ihren literarischen. Vor Pamuk las ich "Internat" von Serhij Zhadan. Und auch da dachte ich: Das hätte ich vor 2022 lesen sollen, rechtzeitig auf Deutsch erschienen ist es.

Jetzt diskutiert alle Welt über irgendwelche aktuell-politischen Aussagen Zhadans. Das interessiert mich ehrlich gesagt keine Bohne. In "Internat" schildert der Autor die Situation im Donbass ergreifend (da literarisch hervorragend) und differenziert jenseits jeder politischen Stellungnahme. Nur eben, dass er Gewalt benennt, wo es Gewalt gibt, dass er Leid schildert, wo er es sieht.

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