Samstag, 6. Februar 2021
Versteinerte Feindschaften
Wenn Feindschaften Jahrzehnte unbenutzt liegen bleiben, dann versteinern sie, und was einst als böser Witz formuliert wird, kann durch gedankenlose Wiederholung irgendwann zu erinnerter Realität werden:. „Als wir jung waren“, meinte mein Vater, „hab ich immer zum Geburtstag so eine hübsches Schmuckglas aus Lauscha bekommen. Aber außer einem sind die ja alle nicht mehr da, die haben die Katzen so nach und nach runtergeschmissen, die liefen doch immer auf den Schränken lang. Also, jedenfalls der Paul, der war doch so beschämt, als er auf die Katze aufpassen sollte, und dann schmiss die das Glas vom Schrank.“ - „Wer war denn Paul?“, frage ich verwundert, denn ich wüsste niemanden in der Bekanntschaft, der so heißt. „Na, der Paul eben! … weißt du nicht mehr: Paul und Paula! Ich weiß jetzt nicht mehr, wie der richtig hieß.“ Da fällt es mir auch ein: Unsere Nachbarn K. - das Ehepaar wurde nach der Wende als IM-Paar enttarnt – ihre Decknamen: Paul und Paula.

Aber während alte Feindschaften fossilieren, geht das Leben weiter. Neulich bin ich mit meiner Schwester am Krempelausräumen, trage Sachen über den Hof, da steht Nachbarin M. (die Wohnungsnachfolgerin der K.s) mit Bekannten da im Gespräch. Ich grüße und man grüßt zurück, die Fremde, eine blonde Mutter mit halbwüchsigen Kindern, schaut mir irritiert ins Gesicht und nickt mir dann auch zu. Später an der Mülltonne verwickelt mich M. In ein Gespräch. „Weißt, wer das eben war? Die Cornelia K.“ Ach. Dunkel erinnere ich mich, dass ich der circa 7-Jährigen einst aus „Nussknacker und Mausekönig“ vorgelesen hab.

Für mich fühlt sich das alles an wie Klotz am Bein. Ich wünschte mir, das wäre verrottet mit den Jahren. Aber was nicht ordentlich begraben wird, verrottet auch nicht. Es versteinert.

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