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Donnerstag, 22. November 2018
So war das, Teil 5
damals, 19:19h
Knut war einverstanden. Wir stiefelten quer durch unser Viertel, aber nicht nach Hause, sondern runter zum Schloss, vorbei an Ruinen ärmlicher Mietshäuser, an frischen Baugruben, den ersten Betonfundamenten künftiger Plattenbauten. Knut beguckte sich den Raben, der in einem Vogelhaus vorm Schloss hockt, weil vor Jahrhunderten einer seiner Artgenossen einen fürstlichen Ring gestohlen hat. "Ich lass ihn frei!", rief Knut, "Wenn hier alles anders kommt: Ihn lass ich zuerst frei!" Und dann standen plötzlich Johanna und Kerstin hinter uns.
Sie sahen fast aus wie ein Liebespaar, gar nicht mehr so gegensätzlich, wie ich sie wahrgenommen hatte. Kerstin hatte beinahe etwas Verwegenes, Johanna war entspannt. „Was ist denn mit euch los?“ – „Das willst du gar nicht wissen, Knut!“, schnippte Kerstin zurück. Jedenfalls wollte ich es nicht wissen. „Wir gehen noch ins ‚Haus des Handwerks‘“, sagte ich, „wollt ihr ...“ – „Nö.“ kam von Johanna prompt als Antwort. Und doch war es klar, dass wir die nächsten Stunden zusammen verbringen, zusammen die Zeit totschlagen. Wie und was, da hatte auch Johanna keinen Plan, und was wir dann tatsächlich gemacht haben, das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich nichts Bedeutsames. Ich weiß nur noch, dass wir an der Saale waren, dass ich in ihr breites, langsames Strömen starrte, während Knut versuchte, Kerstin aus der Reserve zu locken, die bald schon wieder in ihr übliches Schweigen zurückgefallen war, und ich erinnere mich an ein Gespräch mit Johanna, an der Imbissbude am Bahnhof, das irgendwie klug und gut war. Worum es ging, hab ich vergessen. Wir müssen irrsinnig viel gelaufen sein an dem Nachmittag, und am Ende landeten wir natürlich bei uns, in unserer Wohnung.
Erik sah uns erstaunt an, er war auf eine Art nervös, die ich gar nicht von ihm kannte, und offenbar damit beschäftigt, das Eintreffen von Gästen vorzubereiten. Da fiel es mir wieder ein: „Du hast ja Geburtstag, Erik!“ – „Richtig, 25. Da hab ich gedacht, ich feiere einfach mal.“ kam es ironisch zurück. „Ich hab ein paar Leute eingeladen. Euch übrigens auch. Wisst ihr nicht mehr? Aber trotzdem schön, dass ihr da seid. Ihr könnt mir ein bisschen helfen.“
Das taten wir und die Peinlichkeit war bald vergessen. Die Wohnung füllte sich mit Menschen, der Alkohol floss und es wurde debattiert. Bald kristallisierten sich zwei Grüppchen heraus. Rings um Erik und Knut sprach man von Politik; die andere Gruppe, Johanna fungierte als geheime Königin, betratschte geringere Probleme, die allgegenwärtige Männer-Frauen-Problematik, Intrigen an der Hochschule, ... Ich saß einige Zeit abseits. Eva aus Leuna hatte sich mir zugesellt, die jetzt auch studierte, ich kannte sie aber von früher. Wir müssen komisch ausgesehen haben, denn Eva war 15 Zentimeter größer als ich, und deutlich zugenommen hatte sie auch, seit unserer gemeinsamen Zeit in der Schule. Jedenfalls rief Kerstin eine ziemlich freche Bemerkung durch den Raum, aber sie kam nicht zu uns herüber, sondern blieb bei Erik und Knut sitzen.
Eva erzählte von Leuna. Sie wohnte immer noch bei den Eltern, fuhr jeden Nachmittag nach den Seminaren nach Hause. „Ich mag das Studium nicht.“, sagte sie, „Das ist kein richtiges Studium, das ist keine Universität. Wir sollen nur nachher alle als Vorarbeiter ins Werk. Und mehr als ein Vorarbeiter brauchen wir nicht zu wissen.“ – „Wirst du abbrechen?“ – „Wahrscheinlich. Wenn ich nur wüsste, was stattdessen.“ Und dann ergänzte sie: „Mein Freund will ja nach Berlin. Aber ich weiß nicht, was wir da sollen. Wir kennen da niemanden, und ich hätte dann keine Ausbildung ...“ Wir wurden unterbrochen, Eriks Stimme drang schrill durch den Raum: „Natürlich ist das keine originelle Lösung, so ein Selbstmord! Verdammt, aber Leben gabs doch auch schonmal.“ Auch Johanna horchte auf, sie kam zu ihm rüber: „Spiel doch hier nicht den Dekadenten. Das hast du von Jessenin geklaut. Das sind gar nicht deine Gedanken.“ Erik widersprach lautstärker, als es angemessen war, und das war gut so. Denn in dem Moment, als die beiden Streithähne aufeinander zugingen und wild gestikulierend zu diskutieren begannen, zerbrach die bisherige Grüppchenkonstellation, ein allgemeines Durcheinander entstand, das mich erheiterte, mich erleichterte. Ich sah mir das eine Weile an, und als ich merkte, dass Erik und Johanna schon wieder versöhnt waren und einander ironisch zuzwinkerten, als sie sich in die Küche zurückzogen, um den Kartoffelsalat zu holen, da schnappte ich mir eine halbleere Weinflasche und ging in den Flur, hakte die Leiter aus, zu der Dachluke zum Flachdach.
Sie sahen fast aus wie ein Liebespaar, gar nicht mehr so gegensätzlich, wie ich sie wahrgenommen hatte. Kerstin hatte beinahe etwas Verwegenes, Johanna war entspannt. „Was ist denn mit euch los?“ – „Das willst du gar nicht wissen, Knut!“, schnippte Kerstin zurück. Jedenfalls wollte ich es nicht wissen. „Wir gehen noch ins ‚Haus des Handwerks‘“, sagte ich, „wollt ihr ...“ – „Nö.“ kam von Johanna prompt als Antwort. Und doch war es klar, dass wir die nächsten Stunden zusammen verbringen, zusammen die Zeit totschlagen. Wie und was, da hatte auch Johanna keinen Plan, und was wir dann tatsächlich gemacht haben, das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich nichts Bedeutsames. Ich weiß nur noch, dass wir an der Saale waren, dass ich in ihr breites, langsames Strömen starrte, während Knut versuchte, Kerstin aus der Reserve zu locken, die bald schon wieder in ihr übliches Schweigen zurückgefallen war, und ich erinnere mich an ein Gespräch mit Johanna, an der Imbissbude am Bahnhof, das irgendwie klug und gut war. Worum es ging, hab ich vergessen. Wir müssen irrsinnig viel gelaufen sein an dem Nachmittag, und am Ende landeten wir natürlich bei uns, in unserer Wohnung.
Erik sah uns erstaunt an, er war auf eine Art nervös, die ich gar nicht von ihm kannte, und offenbar damit beschäftigt, das Eintreffen von Gästen vorzubereiten. Da fiel es mir wieder ein: „Du hast ja Geburtstag, Erik!“ – „Richtig, 25. Da hab ich gedacht, ich feiere einfach mal.“ kam es ironisch zurück. „Ich hab ein paar Leute eingeladen. Euch übrigens auch. Wisst ihr nicht mehr? Aber trotzdem schön, dass ihr da seid. Ihr könnt mir ein bisschen helfen.“
Das taten wir und die Peinlichkeit war bald vergessen. Die Wohnung füllte sich mit Menschen, der Alkohol floss und es wurde debattiert. Bald kristallisierten sich zwei Grüppchen heraus. Rings um Erik und Knut sprach man von Politik; die andere Gruppe, Johanna fungierte als geheime Königin, betratschte geringere Probleme, die allgegenwärtige Männer-Frauen-Problematik, Intrigen an der Hochschule, ... Ich saß einige Zeit abseits. Eva aus Leuna hatte sich mir zugesellt, die jetzt auch studierte, ich kannte sie aber von früher. Wir müssen komisch ausgesehen haben, denn Eva war 15 Zentimeter größer als ich, und deutlich zugenommen hatte sie auch, seit unserer gemeinsamen Zeit in der Schule. Jedenfalls rief Kerstin eine ziemlich freche Bemerkung durch den Raum, aber sie kam nicht zu uns herüber, sondern blieb bei Erik und Knut sitzen.
Eva erzählte von Leuna. Sie wohnte immer noch bei den Eltern, fuhr jeden Nachmittag nach den Seminaren nach Hause. „Ich mag das Studium nicht.“, sagte sie, „Das ist kein richtiges Studium, das ist keine Universität. Wir sollen nur nachher alle als Vorarbeiter ins Werk. Und mehr als ein Vorarbeiter brauchen wir nicht zu wissen.“ – „Wirst du abbrechen?“ – „Wahrscheinlich. Wenn ich nur wüsste, was stattdessen.“ Und dann ergänzte sie: „Mein Freund will ja nach Berlin. Aber ich weiß nicht, was wir da sollen. Wir kennen da niemanden, und ich hätte dann keine Ausbildung ...“ Wir wurden unterbrochen, Eriks Stimme drang schrill durch den Raum: „Natürlich ist das keine originelle Lösung, so ein Selbstmord! Verdammt, aber Leben gabs doch auch schonmal.“ Auch Johanna horchte auf, sie kam zu ihm rüber: „Spiel doch hier nicht den Dekadenten. Das hast du von Jessenin geklaut. Das sind gar nicht deine Gedanken.“ Erik widersprach lautstärker, als es angemessen war, und das war gut so. Denn in dem Moment, als die beiden Streithähne aufeinander zugingen und wild gestikulierend zu diskutieren begannen, zerbrach die bisherige Grüppchenkonstellation, ein allgemeines Durcheinander entstand, das mich erheiterte, mich erleichterte. Ich sah mir das eine Weile an, und als ich merkte, dass Erik und Johanna schon wieder versöhnt waren und einander ironisch zuzwinkerten, als sie sich in die Küche zurückzogen, um den Kartoffelsalat zu holen, da schnappte ich mir eine halbleere Weinflasche und ging in den Flur, hakte die Leiter aus, zu der Dachluke zum Flachdach.
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