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Dienstag, 20. November 2018
So war das, Teil 3
damals, 20:01h
Zwei Wochen später tauchte Knut wieder auf. Als wäre nichts gewesen, wohnte er wieder bei Erik und mir. Auch der Friedenskreis fand wieder regelmäßig statt, jetzt am Mittwoch. Und es kamen auch mehr Interessenten, die Sache sprach sich herum. Meistens lasen wir Texte, die Knut mitbrachte. Er hatte offenbar die entsprechenden Kontakte. Spannender als die Artikel von DDR-Dissidenten aus Westzeitschriften fand ich, dass er ein paarmal auch Künstlerbücher aus der Prenzlauer-Berg-Szene mitbrachte. Auf den ersten Blick waren das grauenhaft hässliche Heftchen, offenbar versuchten die widerborstig hingestrichelten Grafiken, mit Punk-Attitüde ihre eigene Unprofessionalität zu ironisieren. Aber die Gedichte hatten was. Auch sie verquer, mit Bierernst durchgeführte Sprachspielereien, aber manche von ihnen trafen mich direkt. Sie schienen so verzweifelt, verklemmt ehrlich oder zumindest auf der Suche nach einer Ehrlichkeit, die es in diesem Land nicht mehr gab.
Johanna kam nicht zu den Treffen, und Kerstin auch nicht. Aber der Rest ihrer Seminargruppe war zuverlässig da, auch ein paar Leute aus nichtstudentischen Kreisen. Wir redeten uns die Köpfe heiß, und es konnte nun nicht mehr lange dauern, bis wir tatsächlich etwas machten, eine Umweltinitiative war im Gespräch, mit Fröscherettung sollte es anfangen.
Wenn ich Spätschicht hatte, saßen wir oft zu dritt beim Frühstück zusammen. „So, wie du studierst, möchte ich mal Urlaub haben.“ sagte Knut zu Erik und der banale Spruch brachte uns auf ein weniger banales Problem: Wir brauchten eine Arbeit für Knut. Nicht, dass es an Geld gefehlt hätte, Geld war nie das Problem in der DDR, wenn es ums tägliche Leben ging. Knut brauchte eine bürgerliche Fassade. Streng genommen war seine arbeitsvertragslose Existenz sogar ein Straftatbestand, nach den Gesetzen des Landes. Jeder Nachbar hätte ihn anzeigen können. So spießig war das damals, und solche Nachbarn hatten wir auch. Also sprach ich mit meinem Chef. Der war erst gar nicht begeistert. „Leute ohne Ausbildung, ohne Erfahrung“, knurrte er, "die glauben, dass sie hier einen praktischen Arbeitsplatz finden. Mit viel Freizeit in der Woche ...“ So gesehen hatte er Recht.
Andererseits brauchte er dringend Leute. Und mich hatte er damals ja auch eingestellt, ohne Ausbildung - ich hatte nach der 10. Klasse eine Lehre abgebrochen, weil ich nicht mehr im Werk malochen wollte wie meine einstigen Klassenkameraden. "Ich kann mir den Burschen ja mal ansehen."
Damit hatte Knut den Job, das war klar. Denn wer Knut sah und nicht ganz verblödet war - und mein Chef war alles andere als verblödet - der musste sehen, dass das kein Faulenzer war, kein Rumhänger. Und es war schön, jemanden wie ihn zum Kollegen zu haben. Einen, der schonmal rausgekommen war aus Merseburg. Er war neugierig auf alles, die Bewohner liebten ihn. Nichts von Routine. Einmal, ich hatte Spätschicht, verbrachte ich den Vormittag damit, einen mannshohen Berg Briketts vom Bürgersteig durch die enge Luke in unser Kellerkabüffchen zu schaufeln. Wir hatten aus Kostengründen "frei Haus" bestellt, nicht "frei Gelass". Da kam Knut mit der ganzen Bande vorbei und ließ sie zugucken. "Wollt ihr das wirklich?" rief er. "Ganz normal leben? Das könnt ihr mir doch nicht erzählen! Ihr wollt doch weiter bei uns im Stift wohnen bleiben. Da kümmern sich andere." Er erntete johlenden Beifall. Dann gingen sie vor zur Straßenbahn und fuhren nach Halle in den Zoo.
Johanna kam nicht zu den Treffen, und Kerstin auch nicht. Aber der Rest ihrer Seminargruppe war zuverlässig da, auch ein paar Leute aus nichtstudentischen Kreisen. Wir redeten uns die Köpfe heiß, und es konnte nun nicht mehr lange dauern, bis wir tatsächlich etwas machten, eine Umweltinitiative war im Gespräch, mit Fröscherettung sollte es anfangen.
Wenn ich Spätschicht hatte, saßen wir oft zu dritt beim Frühstück zusammen. „So, wie du studierst, möchte ich mal Urlaub haben.“ sagte Knut zu Erik und der banale Spruch brachte uns auf ein weniger banales Problem: Wir brauchten eine Arbeit für Knut. Nicht, dass es an Geld gefehlt hätte, Geld war nie das Problem in der DDR, wenn es ums tägliche Leben ging. Knut brauchte eine bürgerliche Fassade. Streng genommen war seine arbeitsvertragslose Existenz sogar ein Straftatbestand, nach den Gesetzen des Landes. Jeder Nachbar hätte ihn anzeigen können. So spießig war das damals, und solche Nachbarn hatten wir auch. Also sprach ich mit meinem Chef. Der war erst gar nicht begeistert. „Leute ohne Ausbildung, ohne Erfahrung“, knurrte er, "die glauben, dass sie hier einen praktischen Arbeitsplatz finden. Mit viel Freizeit in der Woche ...“ So gesehen hatte er Recht.
Andererseits brauchte er dringend Leute. Und mich hatte er damals ja auch eingestellt, ohne Ausbildung - ich hatte nach der 10. Klasse eine Lehre abgebrochen, weil ich nicht mehr im Werk malochen wollte wie meine einstigen Klassenkameraden. "Ich kann mir den Burschen ja mal ansehen."
Damit hatte Knut den Job, das war klar. Denn wer Knut sah und nicht ganz verblödet war - und mein Chef war alles andere als verblödet - der musste sehen, dass das kein Faulenzer war, kein Rumhänger. Und es war schön, jemanden wie ihn zum Kollegen zu haben. Einen, der schonmal rausgekommen war aus Merseburg. Er war neugierig auf alles, die Bewohner liebten ihn. Nichts von Routine. Einmal, ich hatte Spätschicht, verbrachte ich den Vormittag damit, einen mannshohen Berg Briketts vom Bürgersteig durch die enge Luke in unser Kellerkabüffchen zu schaufeln. Wir hatten aus Kostengründen "frei Haus" bestellt, nicht "frei Gelass". Da kam Knut mit der ganzen Bande vorbei und ließ sie zugucken. "Wollt ihr das wirklich?" rief er. "Ganz normal leben? Das könnt ihr mir doch nicht erzählen! Ihr wollt doch weiter bei uns im Stift wohnen bleiben. Da kümmern sich andere." Er erntete johlenden Beifall. Dann gingen sie vor zur Straßenbahn und fuhren nach Halle in den Zoo.
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