Donnerstag, 13. September 2018
Die gute, alte Stasi-Manier
Als ich zwanzig war, ein Spätpubertierender, lag ich im Clinch mit meinem Vater, der berufliche Pläne für mich hatte, die mir nicht passten. Viele haben mich damals in meiner Suche nach einem eigenen Weg bestärkt und unterstützt. Inzwischen weiß ich – dank der Aktenoffenlegung – dass eine ganze Reihe von ihnen das in geheimdienstlichem Auftrag tat: Die Stasi wollte das Zerwürfnis zwischen mir und meinem Vater vergrößern, um dessen Ruf zu schädigen. „Zersetzung“ nannte sich das: Vornerum den wohlmeinenden Freund rauskehren, tatsächlich aber destabilisieren, zersetzen.

Oder – ebenfalls damals – der Stasi-Chef meiner Armee-Einheit: Er lud mich zu Gesprächen, in seiner Rolle als Polit-Chef (dass er auch Stasi-Offizier ist, ahnte ich in meiner Naivität nicht), markierte den väterlichen Staatsfunktionär, der die Irrwege des jungen Mannes versteht und ihn mit freundlichen Worten für die Sache des Staates zu gewinnen sucht. Gleichzeitig erwirkte er insgeheim ein Studienverbot für mich. Auch hier: Nach vorne die Maske des loyalen, ehrlichen Beamten, dahinter: die Intriganz des Geheimdienstlers.

So gesehen handelt doch Hans-Georg Maaßen hochprofessionell: Er sieht eine Schwäche beim Gegner, der Kanzlerin, die eine Medienübertreibung verbal aufgegriffen hat. Nun wäre es ja dumm von ihm, ehrlich, loyal zu sein, die Umstände durch sein Amt zu überprüfen (V-Leute vor Ort wird er ja wohl genug gehabt haben, wenn sich so viele Rechte zusammenrotten) und – wenn die Übertreibung nun wirklich unverhältnismäßig gewesen sein sollte - einen Bericht an seinen Innenminister zu verfassen.

Aber das hieße, eine Chance vorbeigehen zu lassen. Nein, Zersetzung geht anders: Er behauptet erstmal wieder besseren Wissens und möglichst volksnah öffentlich, also in der BILD-Zeitung, das sei alles eine Lüge – um beim Publikum das Narrativ von der Lügenpresse zu aktivieren. Wenn er so die größtmögliche Aufmerksamkeit und Aufregung erlangt hat, rudert er halb zurück: Er sei falsch verstanden worden und habe eigentlich „Übertreibung“ gemeint und nicht „Lüge“. Und lässt den korrekten Beamten raushängen, der sich von rechten Meinungsmachern distanziert. Das kann er jetzt ja auch ruhig tun – denn die übernehmen die Staffel und erledigen den Rest. Ziel erreicht: Zersetzung des Gegners.

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