Mittwoch, 20. Januar 2016
Zurückkehren, um zu ernten
Ich hab eine neue Arbeit (endlich Tariflohn - ich verspreche, nie wieder übers Geld zu nörgeln, jedenfalls vorerst) und einen neuen Arbeitsweg, der führt durchs Hamburg meiner Anfangszeit, eine richtige Sight-seeing-Tour: zuerst quer durchs verwinkelte Ottensen, das richtig hübsch ist, solange die Kreativarbeiter ("Wir schaffen 850 Kreativjobs in Altona und 47 Sozialwohnungen an der Behringstraße", garantiert mit 5% Dinkel) noch schlafen, an der Chistianskirche vorbei (in der ich bei einer sehr hippieesken Pfarrerin eine ziemlich unhippieeske Frau geheiratet habe), die klassizistische Palmaille entlang, wo Detlev von Liliencron wohnte, vorbei an Fischmarkt und St.-Pauli-Kirche und dann durch die Bernhard-Nocht-Straße (die Rückseite der Hafenstraße, wo ich damals mein erstes Punkkonzert erlebte) - heute Morgen glitzerte die Elbphilharmonie in der Ferne so wunderschön wie die Kräne von Blohm & Voss, hinter denen die Sonne aufging.
Es passte wirklich alles wunderbar zusammen, und ich fragte mich, ob dieses Gefühl des harmonischen Zusammenhangs nicht einfach nur der Sonne und guten Laune geschuldet ist. Wie war das damals, als ich - 1990 - ein Jahr lang hier in St. Pauli wohnte? Offiziell eingeschrieben für ein Studium des Lehramts für Gymnasien, hatte ich, glaub ich, alles andere im Kopf als das geradlinige Hinarbeiten auf ein späteres bürgerliches Lehrerdasein. Begeisterte mich eher für Foucault, Nietzsche und E.T.A. Hoffmann, und was ich an Realität mitkriegte, war, was man rund um den Hein-Köllisch-Platz so zu sehen bekam: die Penner, die Dealer und dazwischen die Studenten.
Wenn ich jetzt hier wieder durchfahre, inzwischen weit weg von diesem Milieu, hab ich doch irgendwie das Gefühl: Das passt zusammen. Oder um es mit Bernd Begemann zu sagen: "Ich bin der Typ, der immer zurückkehrt".

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