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Dienstag, 16. Oktober 2012
Die Unfähigkeit zu trauern (Topographie des Terrors)
damals, 02:01h
Don Alphonso würde es vermutlich nicht verstehen – aber wir haben unsere Herbstferien für einen Berlin-Aufenthalt verwendet: mal ein par Tage weitgehend verwandtschaftsfrei in der alten Heimat. Jeder hatte da so seine Traumziele: Meine Frau erkundete Wald- und Uferwege bei Kohlhasenbrück, mein Sohn wollte unbedingt ins Legoland Berlin am Potsdamer Platz, und ich war schon lange neugierig auf die „Topographie des Terrors“, die Gedenkstätte an der berüchtigten Prinz-Albrecht-Straße, wo früher die Gestapo saß.
Tja, was soll ich sagen? Recherchieren, Wissenschaft, differenzierte Darstellung – das können sie, die Deutschen, aber trauern, gedenken, alles, was mit Gefühl, mit Würde oder gar Kunst und Schönheit zu tun hat – da ist wohl tote Hose. Ich wanderte zwischen lauter Ausländern über dieses leere Gedächtnisfeld und fühlte mich seltsam unzugehörig zu dem Volk, das sich solch einen sterilen Erinnerungsort schafft.
Was die Inhalte der Ausstellung betraf, da gab es wie gesagt nichts zu meckern, das war alles ausgewogen präsentiert, alles Wichtige klar dargestellt und mit eindringlichen und gut ausgewählten Beispielen untermauert. Nur ist das Ganze ja kein historisches Museum, sondern eine Gedenkstätte.
Es ist doch der Ort, wo Gestapo und SS ihr Hauptquartier hatten, der Schreckensort, wo die Aufmüpfigen eingeliefert, wo sie verhört, gefoltert, auch getötet wurden – da kann man doch nicht nur abgeklärt und ausgewogen darstellen! Vor allem darf man nicht das ganze Areal einfach kalt mit Schotter abdecken und in die Mitte ein Dokumentationszentrum aus grauem Stahlblech setzen. Hat man aber. Und wo in den achtziger Jahren eine Bürgerinitiative die Gefängniszellen ausgrub, da hat man alles mit Sand abgedeckt, um das „Bodendenkmal“ zu schützen. Korrekt, aber nicht sehr souverän.
Zu dieser aufgeräumten, emotionslosen Gedenkinszenierung gehört als Gegenstück, dass der hintere Teil der historischen Anlage, der Garten des Prinz-Albrecht-Palais‘, weil man ihn nicht auch noch mit Steinen planieren wollte, einfach so bleibt, wie man ihn vorgefunden hat: Wildwuchs breitet sich aus, die asphaltierten Reste eines Fahrschulplatzes aus den achtziger Jahren bröckeln vor sich hin, Schutthaufen und Mauerreste aus Kriegstagen werden von Unkraut überwuchert, irgendwo dazwischen erinnert verschämt eine Tafel an die Bauleute, die den vorderen Teil geschottert haben. Nicht sehr würdig.
Eine Geste des Gedenkens, eine vielleicht kitschige Verbeugung vor den Opfern – ist das zu viel verlangt?
Ich denke z. B. an Will Lammerts Ravensbrück-Denkmal: die Figur, die den Deutschen am anderen Seeufer (die das KZ natürlich gesehen haben, sehen mussten) ein zusammengebrochenes Opfer mahnend entgegenhält. Man mag dies und jenes denken über die Verlogenheit des ostdeutschen Antifaschismus – diese Geste ist echt. Und vor allem: Sie wurde gemacht. Die Topographie des Terrors bleibt dagegen auf der Gefühlsebene sprachlos.
Tja, was soll ich sagen? Recherchieren, Wissenschaft, differenzierte Darstellung – das können sie, die Deutschen, aber trauern, gedenken, alles, was mit Gefühl, mit Würde oder gar Kunst und Schönheit zu tun hat – da ist wohl tote Hose. Ich wanderte zwischen lauter Ausländern über dieses leere Gedächtnisfeld und fühlte mich seltsam unzugehörig zu dem Volk, das sich solch einen sterilen Erinnerungsort schafft.
Was die Inhalte der Ausstellung betraf, da gab es wie gesagt nichts zu meckern, das war alles ausgewogen präsentiert, alles Wichtige klar dargestellt und mit eindringlichen und gut ausgewählten Beispielen untermauert. Nur ist das Ganze ja kein historisches Museum, sondern eine Gedenkstätte.
Es ist doch der Ort, wo Gestapo und SS ihr Hauptquartier hatten, der Schreckensort, wo die Aufmüpfigen eingeliefert, wo sie verhört, gefoltert, auch getötet wurden – da kann man doch nicht nur abgeklärt und ausgewogen darstellen! Vor allem darf man nicht das ganze Areal einfach kalt mit Schotter abdecken und in die Mitte ein Dokumentationszentrum aus grauem Stahlblech setzen. Hat man aber. Und wo in den achtziger Jahren eine Bürgerinitiative die Gefängniszellen ausgrub, da hat man alles mit Sand abgedeckt, um das „Bodendenkmal“ zu schützen. Korrekt, aber nicht sehr souverän.
Zu dieser aufgeräumten, emotionslosen Gedenkinszenierung gehört als Gegenstück, dass der hintere Teil der historischen Anlage, der Garten des Prinz-Albrecht-Palais‘, weil man ihn nicht auch noch mit Steinen planieren wollte, einfach so bleibt, wie man ihn vorgefunden hat: Wildwuchs breitet sich aus, die asphaltierten Reste eines Fahrschulplatzes aus den achtziger Jahren bröckeln vor sich hin, Schutthaufen und Mauerreste aus Kriegstagen werden von Unkraut überwuchert, irgendwo dazwischen erinnert verschämt eine Tafel an die Bauleute, die den vorderen Teil geschottert haben. Nicht sehr würdig.
Eine Geste des Gedenkens, eine vielleicht kitschige Verbeugung vor den Opfern – ist das zu viel verlangt?
Ich denke z. B. an Will Lammerts Ravensbrück-Denkmal: die Figur, die den Deutschen am anderen Seeufer (die das KZ natürlich gesehen haben, sehen mussten) ein zusammengebrochenes Opfer mahnend entgegenhält. Man mag dies und jenes denken über die Verlogenheit des ostdeutschen Antifaschismus – diese Geste ist echt. Und vor allem: Sie wurde gemacht. Die Topographie des Terrors bleibt dagegen auf der Gefühlsebene sprachlos.
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