Montag, 16. Januar 2012
Spezifisch ostdeutsch
Viele Ost-Experten empören sich darüber, dass der Neonazi-Terror im Westen vielfach als ein spezifisch ostdeutsches Problem angesehen wird, und weisen gekonnt nach, dass so auch das eigene Entsetzen relativiert werden kann – indem man das Problem nach Osten abschiebt.
Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass dieses Phänomen schon eine ostdeutsche Komponente hat. Anders jedenfalls wäre es nicht zu erklären, dass die NPD in mehreren ostdeutschen Parlamenten sitzt, aber in keinem westdeutschen, ganz zu schweigen vom Zulauf für frei herumlaufende „Kameradschaften“. Sabine Rennefanz hat das in ihrem Artikel „Uwe Mundlos und ich“ sehr gut gezeigt. Sie hat auch gezeigt, dass das wohl weniger mit Sozialismus und Kindergärten als mit dem Umbruch von 1990 zu tun hat. Ja, man konnte schon abdriften nach 1990 als junger Ostdeutscher. Das ging mir damals auch so – und unterschied mich von meinen westdeutschen Freunden.
Was mich von meinen westdeutschen Freunden jetzt unterscheidet, ist, dass mich die Geschichte um die drei Jenaer Rechtsterroristen nicht nur schockiert hat, sondern auch weiter umtreibt – immer wieder durchforste ich das Internet nach neuen Meldungen (was ich wegen eines Wulff-„Skandals“ nie tun würde), will wissen, wer wem welche Gelder zahlte, warum keine der Konkurrenzunternehmen Verfassungsschutz und Polizei die Leute verhaftete, auch als sie ihren Aufenthaltsort kannten, und weshalb die Staatsanwaltschaft Erfurt nicht nur die Stasi im Fall Domaschk, sondern auch den Verfassungsschutz im Fall Mundlos schützte, als der Vater Mundlos gegen die Helfer seines Sohnes Anzeige erstattete.
Könnte es vielleicht sein, dass die Wahrheit auch ein linkes westdeutsches Selbstverständnis kränken könnte, ein Selbstbewusstsein machohafter Machtphantasien, das den linken Terrorismus insgeheim tolerierte , ein Schläger-Alphatier zum Außenminister machte und über die aufputschende Rolle der Geheimdienste in der ganzen Sache lieber nicht so genau Bescheid wissen wollte? Wird deshalb so gebetsmühlenartig der „Rechtsextremismus“ verdammt und nicht zuerst dessen Gewalt?
Was mich jedenfalls auf die Palme bringt, sind nicht irgendwelche von V-Leuten verfassten Ideologie-Papiere - es ist das kriminelle Netzwerk von Gewalttätern, deren Auftraggebern und Helfern, das die Behörden offenbar nicht zu fassen bekommen, weil die Ausläufer dieses Netzwerks längst bis in die Behörden hinein gewuchert sind.

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