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Dienstag, 17. August 2010
Architektur und Unfreiheit
damals, 13:12h
(Dies ist eine erweiterte Version meiner Antwort auf prieditis in einer Architekturdiskussion bei Stubenzweig.)
In meiner Studentenzeit habe ich auch einige Semester Kunstgeschichte belegt, aus dieser Zeit möchte ich eine Anekdote zum Besten geben. Ich hatte mich für die Arbeitsgruppe eines Professors gemeldet, der ein Buch über „Norddeutsche Backsteinarchitektur 1850 – 1945“ schreiben wollte, weil mich diese stimmungsvoll-autoritäre Architektur nicht unberührt lässt. Natürlich witzelte ich über das Thema – ich sagte, ehrlicherweise müsste es „Preußischer Schul- und Kasernenbau von der Niederschlagung der 48er Revolution bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs“ heißen. Unser Professor aber war begeistert. Er zeigte uns massenweise Dias von absolut rechteckigen Kirchen, Krankenhäusern und Schulen und meinte mit leuchtenden Augen: „Spüren Sie hier den Nachklang des Schinkelschen Rationalismus?“
Natürlich hatte er Recht. Seine Behauptung war trotzdem absurd. Denn was in der Politik des 19. Jahrhunderts passierte, davon blieb auch die Backsteinarchitektur nicht verschont: Das autoritäre Element im Rationalismus überwucherte alles andere und endlich auch den Rationalismus selbst. Kein Wunder, dass dieser Professor ein treuer Parteisoldat war (1989 jammerte er: "Da hat man so viele Jahre alles getan für seine Partei - und jetzt lassen sie einen so hängen!"), eben einer, der in der Architekur letztendlich die Wiederspiegelung der Macht liebt, auch wenn er sich selbst einredet, er würde die Vernunft darin lieben. Es ist eigentlich die gleiche Geschichte wie mit dem berühmt-berüchtigten Plattenbau (für den die DDR so gern gescholten wird, obwohl er in Westdeutschland genauso rumsteht). Auch im Plattenbau könnte man mit einigem guten Willen einen letzten Nachklang des Neuen Bauens, der klassischen Moderne, erspüren. Nur gibt es eben Nachklänge, in denen sich das Original nur als Farce wiederholt, wie Marx so schön sagte.
Also abhaken und verachten, all die vernünftig obrigkeitsstaatliche Architektur? Das find ich auch wieder nicht richtig. Auch nach Schinkels Tod ist noch mitunter guter Backsteinbau entstanden im Norden, z. B. die Unibibliothek in Greifswald, und es gibt sogar auch guten Plattenbau nach 1945. Stubenzweig erwähnt mit Recht die Hamburger Grindelhochhäuser.
Manchmal bedauere ich, dort nicht eingezogen zu sein. Aber eigentlich bedauere ich es auch nicht. Als ich 1990 aus der DDR nach Hamburg kam, vermittelte mir eine ehemalige Kommilitonin den Kontakt zu dem Vermieter einer Einzimmerwohnung dort. Ich besah mir das Haus flüchtig von außen und konnte darin nur Marzahn und Rostock-Lichtenhagen erblicken. Ich lehnte dankend ab und zog in eine feuchte Wohnung mit Dauerbrandofenheizung nahe der St.-Pauli-Kirche. Diese Wohnung liebte ich: Es war meine erste eigene.
So habe ich meine Haltung der letzten DDR-Jahre – die Verhältnisse kritiklos akzeptieren und die Mitarbeit so weit möglich verweigern, ironische Witzchen machen und vor allem: immer nach unten, immer weg vom Zentrum – im Westdeutschen konserviert. Besonders sinnvoll war diese Haltung schon 1988 nicht. 1989 wurde sie vollends lächerlich, wie Andreas Dresen in seinem Debütfilm “Stilles Land“ eindringlich darstellt, einem Film, in dem ich mich völlig wiedererkenne.
Na ja, vielleicht ist ja dieses Blog ein erster Versuch, die Verweigerungshaltung aufzugeben und ein bisschen doch mitzureden.
In meiner Studentenzeit habe ich auch einige Semester Kunstgeschichte belegt, aus dieser Zeit möchte ich eine Anekdote zum Besten geben. Ich hatte mich für die Arbeitsgruppe eines Professors gemeldet, der ein Buch über „Norddeutsche Backsteinarchitektur 1850 – 1945“ schreiben wollte, weil mich diese stimmungsvoll-autoritäre Architektur nicht unberührt lässt. Natürlich witzelte ich über das Thema – ich sagte, ehrlicherweise müsste es „Preußischer Schul- und Kasernenbau von der Niederschlagung der 48er Revolution bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs“ heißen. Unser Professor aber war begeistert. Er zeigte uns massenweise Dias von absolut rechteckigen Kirchen, Krankenhäusern und Schulen und meinte mit leuchtenden Augen: „Spüren Sie hier den Nachklang des Schinkelschen Rationalismus?“
Natürlich hatte er Recht. Seine Behauptung war trotzdem absurd. Denn was in der Politik des 19. Jahrhunderts passierte, davon blieb auch die Backsteinarchitektur nicht verschont: Das autoritäre Element im Rationalismus überwucherte alles andere und endlich auch den Rationalismus selbst. Kein Wunder, dass dieser Professor ein treuer Parteisoldat war (1989 jammerte er: "Da hat man so viele Jahre alles getan für seine Partei - und jetzt lassen sie einen so hängen!"), eben einer, der in der Architekur letztendlich die Wiederspiegelung der Macht liebt, auch wenn er sich selbst einredet, er würde die Vernunft darin lieben. Es ist eigentlich die gleiche Geschichte wie mit dem berühmt-berüchtigten Plattenbau (für den die DDR so gern gescholten wird, obwohl er in Westdeutschland genauso rumsteht). Auch im Plattenbau könnte man mit einigem guten Willen einen letzten Nachklang des Neuen Bauens, der klassischen Moderne, erspüren. Nur gibt es eben Nachklänge, in denen sich das Original nur als Farce wiederholt, wie Marx so schön sagte.
Also abhaken und verachten, all die vernünftig obrigkeitsstaatliche Architektur? Das find ich auch wieder nicht richtig. Auch nach Schinkels Tod ist noch mitunter guter Backsteinbau entstanden im Norden, z. B. die Unibibliothek in Greifswald, und es gibt sogar auch guten Plattenbau nach 1945. Stubenzweig erwähnt mit Recht die Hamburger Grindelhochhäuser.
Manchmal bedauere ich, dort nicht eingezogen zu sein. Aber eigentlich bedauere ich es auch nicht. Als ich 1990 aus der DDR nach Hamburg kam, vermittelte mir eine ehemalige Kommilitonin den Kontakt zu dem Vermieter einer Einzimmerwohnung dort. Ich besah mir das Haus flüchtig von außen und konnte darin nur Marzahn und Rostock-Lichtenhagen erblicken. Ich lehnte dankend ab und zog in eine feuchte Wohnung mit Dauerbrandofenheizung nahe der St.-Pauli-Kirche. Diese Wohnung liebte ich: Es war meine erste eigene.
So habe ich meine Haltung der letzten DDR-Jahre – die Verhältnisse kritiklos akzeptieren und die Mitarbeit so weit möglich verweigern, ironische Witzchen machen und vor allem: immer nach unten, immer weg vom Zentrum – im Westdeutschen konserviert. Besonders sinnvoll war diese Haltung schon 1988 nicht. 1989 wurde sie vollends lächerlich, wie Andreas Dresen in seinem Debütfilm “Stilles Land“ eindringlich darstellt, einem Film, in dem ich mich völlig wiedererkenne.
Na ja, vielleicht ist ja dieses Blog ein erster Versuch, die Verweigerungshaltung aufzugeben und ein bisschen doch mitzureden.
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