Sonntag, 8. August 2010
Eine Innenansicht der Gauck-Behörde, Teil 2
Warum tut ein Mensch sich so etwas an? Fuchs redete sich ein, seine Gründe seien rein sachlicher Natur. Er wollte Freunden und Mitstreitern so möglichst weit reichende Kenntnis ihrer Stasi-Akten ermöglichen. Er wollte einen Ausgleich schaffen für die von ihm abgelehnte Praxis, dass die Akten vor „Akteneinsicht“ prepariert werden, um Persönlichkeitsrechte anderer zu schützen. Denn niemand kontrolliert den Behördenmitarbeiter, der die Akten sucht und vorbereitet. Dieser kann eine Akte einfach „nicht finden“, (ein Vorgehen, das Alexander Osang in seinem Roman „die nachrichten“ anschaulich schildert), er kann nach eigenem Ermessen Stellen schwärzen, Seiten weglassen usw., wenn etwas zu peinlich für seine ehemaligen Kollegen ist oder gar strafrechtliche Konsequenzen für sie befürchten lässt. Und auch bei den Mitarbeitern der westlichen Dienste, die in der Behörde tätig sind, weiß man nicht, ob sie wirklich nur die Stasis kontrollieren oder nicht auch Informationen über ihre eigenen Arbeitgeber unkenntlich machen (ich denke da z.B. an die, so Gauck, „erhebliche ausgedünnte“ des Agenten Karlheinz Kurras). Fuchs kann hier nachbessern – mit seinem Dienstausweis darf er alles im Original einsehen. Nur: Wie viel kann ein einzelner Mensch wirklich erreichen bei dieser Aufgabe, insbesondere bei der zu erwartenden Gegenwehr?
Man muss sich die Situation vorstellen, in die Fuchs da reinrutscht (er selbst tut das leider gar nicht) - das ist ja schon fast „undercover“: Der Bürgerrechtler wird vom Behördenchef persönlich als einfacher Mitarbeiter eingestellt, um Seilschaften aufzudecken. Natürlich schlägt ihm der blanke Hass entgegen. Schon vor seinem Dienstantritt warnt der Betriebsrat vor zu erwartenden Veröffentlichungen dieses renitenten Menschen. Ihn direkt anzugreifen, wagt man nicht, aber sein vor der Behörde parkendes Auto hat eines Tages kaputte Reifen und Bremsen. Und schließlich, da man Fuchs als Stasi-Jäger nicht loswerden kann, versucht man diese seine Rolle zu manipulieren. Sein direkter Vorgesetzter, Dr. Rolle, vor `89 bei der Akademie der Wissenschaften, ein sicher braver, aber gebildeter DDR-Bürger, findet „zufällig“ belastendes Material über den Bürgerrechtler Jens Reich und übergibt es Fuchs als zu dessen Bereich gehörig. Der fällt zunächst auf den Denunziationsversuch rein, prüft dann aber die Umstände und erkennt: Reich war doch kein IM – anders als (wie sich später herausstellt) der brave Dr. Rolle. Erfolgreicher ist Rolles ehemaliger Kollege bei der Akademie der Wissenschaften, Klaus Richter, ausgebildeter Stasi-Agent, in der Wendezeit kurzzeitig Geschäftsführer der ostdeutschen Grünen, er leitet bei der Gauck-Behörde das Nachbarreferat. Als Richter erfährt, dass Jürgen Fuchs manchmal mit Gesprächen oder Adressen von Unterstützer-Vereinen aushilft, wenn Behördenmitarbeiter mit traumatisierten Antragstellern nicht klarkommen, hat er eine Idee. Um solches individuelles Handeln (und vor allem das Fraternisieren einzelner Mitarbeiter mit Fuchs) wirksam zu unterbinden, schlägt er eine Institutionalisierung vor: Fuchs soll eine Weiterbildung für Behördenmitarbeiter anbieten: „Veranstaltung zu Problemfällen“. Das gelingt: Die betreffenden Mitarbeiter erscheinen ossihaft brav zu den Veranstaltungen und erwarten klare Instruktionen zum Umgang mit „Problemfällen“. Als der Referent stattdessen „angstfreies Miteinander-Reden“, ja sogar „persönliches Sprechen“ empfiehlt, fühlen sie sich überfordert. Augenrollen, Kopfschütteln erfolgen, eine feindselige Atmosphäre entsteht. Fuchs ist als Gefühlsdusel und Hippie, als „Betroffener“ stigmatisiert und somit unschädlich gemacht: „Sie sind Psychologe und waren Betroffener, pardon, sind Betroffener.“ sagt ein Kollege mit schlecht versteckter Verachtung.

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