Mittwoch, 31. Oktober 2007
"An die Grenze" - Teil 2: Gerüchte – Angst machende und Mut machende
Leider hat Kolditz dieses Stichwort vom Militärknast in Schwedt nur im Interview mit Kerner gebracht, im Film kommt es nicht vor – schade, es wäre ein schöner Anlass gewesen zu zeigen, wie das System Grenze funktionierte, wie man Unschuldige dazu brachte, Unschuldige zu erschießen: indem man nämlich junge Menschen durch Angst in die Unmenschlichkeit trieb.
Auch ich (als normaler NVA-Soldat) kannte die Erzählung von „Schwedt“. Wir stellten uns das Militärgefängnis vor wie die Hölle. Ob es das war, weiß ich nicht – vermutlich ja. Ich weiß nur, dass die Androhung von „Schwedt“ immer das letzte Argument der Offiziere war. Das zog immer – und veranlasste uns zur Ausführung jeglichen Befehls.
Übrigens gibt es auch eine andere Erzählung als die von Schwedt. Als mir der Grenzdienst drohte, ist sie mir begegnet. Ich hatte als Oberschüler die übliche „freiwillige“ Verpflichtung zum dreijährigen Unteroffiziersdienst (stat1,5 Jahre als Soldat) verweigert und mich nicht getraut, nun auch noch den Grenzdienst zu verweigern (was mancher Mitschüler sich traute). Prompt wurde ich bei der Musterung nochmals ausdrücklich gefragt, ob ich bereit wäre, zur Grenze zu gehen. Ich sagte „ja“ und begann zu zittern. Später erzählten mir Freunde, man könne auch noch nach dem Einziehen zu den Grenzsoldaten den Schießbefehl verweigern – und würde dann eben nicht zum Postendienst eingeteilt. Es soll einen jungen Mann gegeben haben, der bei den Grenztruppen einfach Koch wurde, weil er sich während der Grundausbildung entsprechend geäußert hatte. Vielleicht stimmt auch diese Geschichte, ebenso wie die Gerüchte über Schwedt. Sie hat mir damals viel Mut gemacht.
Ach, und warum ich dann doch nicht zur Grenze gezogen wurde, stellte sich erst nach der Wende heraus: Das Wehrkreiskommando machte bei den für die Grenzer vorgesehenen jungen Männern eine Regelanfrage bei der Stasi. Da in dieser Zeit gerade ein „Operativer Vorgang“ (Bespitzelungsmaßnahme) gegen meinen Vater lief, blieb ich verschont.

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