Samstag, 16. August 2025
Ein Buchumschlag sagt mehr als 1000 Worte
- jedenfalls, wenn er gut gemacht ist. Eine Freundin hatte das Buch meiner Frau in die Hand gedrückt. Ich sah es da rumliegen und war vom Buchumschlag zuerst abgestoßen, das Cover sagte deutlich: Achtung, das hier ist Trash.





Ich war irritiert – die Feuilletons hatten doch geschrieben, das sei ein ernst zu nehmendes Buch über die Familie Henselmann. Ich blätterte rum, sah, dass die berühmte Kat Menschik den Umschlag gestaltet hat, und ja, das war schon gut gemacht, wie da Hollywood-Kitsch mit realsozialistischer Architektur kombiniert wird, das Haus an der Weberwiese zentral auf dem Buchrücken und am Himmel der Buchtitel wie eine Leuchtreklame und die drei Portraits wie auf dem Mount Rushmore, man sieht förmlich die Agenten auf ihren Nasen herumklettern.

Ich fing an zu lesen, legte das Buch aber nach 30 Seiten weg: Die flott und plakativ geschriebene Promi-Geschichte sagte mir gar nichts. Meine Frau aber raste durch das Buch durch, sie erzählte mir die ganze Geschichte, las mir sogar Stellen vor – sie war entsetzt von der Geschichte, ich eher angewidert. Über die Stasi-Geschichte der Henselmanntochter Isa sprachen wir länger, die stimmte hinten und vorne nicht, wie sie da aufgeschrieben war, und auch als weibliche Emanzipationsgeschichte konnte das nicht so richtig durchgehen, der große Papa schwebte ja doch über allem.

Man nennt das wohl Triggern, wie meine Frau von diesem Buch aufgeregt wird und wie es mich wütend macht. Ich konnte ihr meine Wut erst verständlich machen, als mir einfiel, warum sie doch die erste sein müsste, die dieses Buch verabscheut: „In den Jahren, als du in der DDR nicht studieren durftest, hat die Autorin Journalismus studiert, in Leipzig, am Roten Kloster.“

Wie dem auch sei: Der Buchumschlag von „Die Allee“ hat Recht, nehmen Sie die Warnung ernst!

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Erstaunlich, dass du zuerst an Mount Rushmore denkst bei einem Buch, das Die Allee heißt und zwei Gebäude aus der Stalinallee auf dem Einband hat.

Unter den Umständen liegt doch näher, zuerst mal an die unvermeidlichen Plakate zu denken mit den Quadratnischeln von Marxengelsleninstalin in Schrägansicht, die in der Ostzone überall herumhingen, auf Briefmarken erschienen usw.

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Als ich Ihren Einspruch las, dachte ich erst: Das ist ja Quatsch, weil ich an die Mount Rushmores der DDR dachte, den Marxkopf in Chemnitz, den großen Lenin und den großen thälmann in Berlin usw., die ja völlig anders aussehen - las gar nicht zuende.
Ja, an die 4 Marxengelsleninstalin-Köpfe der 50er-Jahre-Klassikerausgabe könnte man auf den ersten Blick denken, da sie ähnlich grafisch-plakativ stilisiert sind.

Aber auf den zweiten Blick haut das nicht hin: Der Mount Rushmore verkörpert die Idee der alten weißen Männer im Disput miteinander, zu denen man aufblickt, weil sie so klug sind. Die Marxengelsleninstalin dagegen kommen einem gleichgeschaltet als Kämpferfront entgegen.

Der Witz ist, dass - wie die Autorin zeigt und die Illustratorin gewitzt zum Bild macht - zum Aufschauen heutzutage schon ein alter weißer Mann ausreicht, die andern dürfen gerne Frauen sein.

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