Freitag, 21. Juni 2024
Rübergemacht
damals, 13:03h
Jemand sei "rübergemacht", nämlich aus der DDR in die BRD, diese Formulierung habe ich bisher nur aus westdeutschem Munde gehört, auch mein eigenes Schicksal hörte ich öfter so bezeichnen, was mir immer ein irgendwie unangenehmes Gefühl bereitete, aber ich habe nie etwas gesagt.
Jetzt lese ich die Formulierung zum ersten Mal von einem Ostdeutschen, von Jurek Becker, in seinem Roman "Irreführung der Behörden". Und auch da kommt sie aus dem Mund einer Figur (einem DDR-Flüchtling), die als affektiert westdeutsch sprechend charakterisiert werden soll. Das war 1973. In einem Roman, der auch in Westdeutschland erschienen ist und viel gelesen wurde.
Aber "rübergemacht" sagen die Westdeutschen noch heute. So viel zur Verständigung zwischen Ost und West.
Jetzt lese ich die Formulierung zum ersten Mal von einem Ostdeutschen, von Jurek Becker, in seinem Roman "Irreführung der Behörden". Und auch da kommt sie aus dem Mund einer Figur (einem DDR-Flüchtling), die als affektiert westdeutsch sprechend charakterisiert werden soll. Das war 1973. In einem Roman, der auch in Westdeutschland erschienen ist und viel gelesen wurde.
Aber "rübergemacht" sagen die Westdeutschen noch heute. So viel zur Verständigung zwischen Ost und West.
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fritz_,
Freitag, 21. Juni 2024, 13:44
War Jurek Becker nicht ein Kumpel von Manne Krug? Sein, Krugs, autobiographisches Buch hatte den trockenen Namen Abgehauen.
Das Buch hatte ich zufällig im selben Moment in die Hände bekommen wie Stefan Heyms Der Winter unsers Mißvergnügens, das meiner Erinnerung nach im Wesentlichen auch tagebuchartig die Fluchtwelle von 1976-77 abhandelt, so dass man beide Bücher gut vergleichen konnte, ob Einzelheiten übereinstimmen.
Das Buch hatte ich zufällig im selben Moment in die Hände bekommen wie Stefan Heyms Der Winter unsers Mißvergnügens, das meiner Erinnerung nach im Wesentlichen auch tagebuchartig die Fluchtwelle von 1976-77 abhandelt, so dass man beide Bücher gut vergleichen konnte, ob Einzelheiten übereinstimmen.
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damals,
Freitag, 21. Juni 2024, 13:55
Richtig. Becker hat auch das Drehbuch für die Verfilmung von "Abgehauen" geschrieben. Hätte ich auch schon längst gelesen oder gesehen haben müssen.
Auch "Irreführung der Behörden" ist ja eine Jahrzehnte später nachgeholte Lektüre. Ich hab halt neulich einen m****x-Werbe-Gutschein geschenkt gekriegt und dachte mir: Da krieg ich billig Bücher von vorgestern (auf die Gegenwart hat meiner einer grad gar keine Lust) - ich wählte "Christus kam nur bis Eboli" (wie gesagt ein wunderbares Buch), "Nachdenken über Christa T." (na ja, ich bin in der Mitte steckengeblieben, dazu demnächst mehr in diesem Theater) und eben "Irreführung der Behörden", bei dem ich mir mit der Bewertung noch nicht sicher bin, bis jetzt macht es jedenfalls viel Spaß zu lesen, wobei mir nicht alles gefällt.
... ach, ja: Und "abgehauen" ist eindeutig die bessere Umgangssprache: trocken, deutlich. Nicht so verquast wie "rübergemacht".
Auch "Irreführung der Behörden" ist ja eine Jahrzehnte später nachgeholte Lektüre. Ich hab halt neulich einen m****x-Werbe-Gutschein geschenkt gekriegt und dachte mir: Da krieg ich billig Bücher von vorgestern (auf die Gegenwart hat meiner einer grad gar keine Lust) - ich wählte "Christus kam nur bis Eboli" (wie gesagt ein wunderbares Buch), "Nachdenken über Christa T." (na ja, ich bin in der Mitte steckengeblieben, dazu demnächst mehr in diesem Theater) und eben "Irreführung der Behörden", bei dem ich mir mit der Bewertung noch nicht sicher bin, bis jetzt macht es jedenfalls viel Spaß zu lesen, wobei mir nicht alles gefällt.
... ach, ja: Und "abgehauen" ist eindeutig die bessere Umgangssprache: trocken, deutlich. Nicht so verquast wie "rübergemacht".
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fritz_,
Samstag, 29. Juni 2024, 14:33
Krugs Abgehauen liest sich flott dahin, es ist mit leichter Hand geschrieben und liest sich gut. Vorausgesetzt natürlich, dass man DDR-Boulevardthemen nachträglich etwas abgewinnen kann. :-) Schauspielerinnen, Politiker, Schriftsteller gehen ein und aus. 150 Seiten etwa.
Vorangestellt sind noch mal 110 Seiten, da hat Krug heimlich mit seinem Tonband ein Treffen in seiner Villa mitgeschnitten, als sich Künstler, Politiker und Fernsehbürokraten bei ihm trafen und aufgeregt waren wegen der Zwangsausbürgerung Biermanns 1976.
Während dem rings um Krugs Haus natürlich überall schwarze Limousinen, in denen die Stasileute saßen, und für ihre Zwecke ebenfalls Mitschnitte machten. Krug schreibt, "Deshalb will ich um die Namen kein großes Geschiß machen, es sind alles Figuren der Zeitgeschichte."
Von Krugs feuchtfröhlicher Abschiedsparty 1977 u.a. mit Jurek Becker und Christa Wolf, ganz kurz vor seiner Ausreise, sind hinten im Buch 10 Seiten aus der Stasiakte angefügt, was Informanten zu berichten wussten. Sehr lustig. Der Stasitext endet mit der Feststellung, dass der IMV (=Spitzel mit Feindberührung) nervlich völlig am Ende war und ihm und seiner Frau in der Nachbesprechung "in feierlicher Form ein Blumenpräsent überreicht" wurde und "ein erstes herzliches Dankeschön ausgesprochen". Was für ein Land.
Man bekommt das Taschenbuch in neuwertigem Zustand antiquarisch, mit Versand 7 €. Für so was nutze ich gern den Zentralversand antiquarischer Bücher.
Vorangestellt sind noch mal 110 Seiten, da hat Krug heimlich mit seinem Tonband ein Treffen in seiner Villa mitgeschnitten, als sich Künstler, Politiker und Fernsehbürokraten bei ihm trafen und aufgeregt waren wegen der Zwangsausbürgerung Biermanns 1976.
Während dem rings um Krugs Haus natürlich überall schwarze Limousinen, in denen die Stasileute saßen, und für ihre Zwecke ebenfalls Mitschnitte machten. Krug schreibt, "Deshalb will ich um die Namen kein großes Geschiß machen, es sind alles Figuren der Zeitgeschichte."
Von Krugs feuchtfröhlicher Abschiedsparty 1977 u.a. mit Jurek Becker und Christa Wolf, ganz kurz vor seiner Ausreise, sind hinten im Buch 10 Seiten aus der Stasiakte angefügt, was Informanten zu berichten wussten. Sehr lustig. Der Stasitext endet mit der Feststellung, dass der IMV (=Spitzel mit Feindberührung) nervlich völlig am Ende war und ihm und seiner Frau in der Nachbesprechung "in feierlicher Form ein Blumenpräsent überreicht" wurde und "ein erstes herzliches Dankeschön ausgesprochen". Was für ein Land.
Man bekommt das Taschenbuch in neuwertigem Zustand antiquarisch, mit Versand 7 €. Für so was nutze ich gern den Zentralversand antiquarischer Bücher.
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damals,
Samstag, 29. Juni 2024, 15:01
Danke für die Anregung, habs mir jetzt bei bo****er bestellt, für 3,50.
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fritz_,
Samstag, 29. Juni 2024, 15:37
Ja, b***lock** ist für Bücher der Discounter unter den Edekas. Zuletzt habe ich von Safranski die Nietzsche-Biographie gekauft, bei dem Buch waren die Preisverhältnisse genau umgekehrt und *ookl***** erstaunliche drei mal so teuer wie ****. Man muss sich halt erst in Ruhe umsehen.
Das Buch kam dann wie neu aus dem Bestand einer Designagentur aus Prag. Als Vertriebsweg für überzählige Bücher ist das dann so bookbot-Universum, davon scheint es nationale Ableger zu geben. Der tschechische hat den schönen Namen https: //knihobot.cz/. Das kann einem aber egal sein, weil wenn ein Buch deutschsprachig ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es von dort aus auf ZVAB verlinkt ist.
Das Buch kam dann wie neu aus dem Bestand einer Designagentur aus Prag. Als Vertriebsweg für überzählige Bücher ist das dann so bookbot-Universum, davon scheint es nationale Ableger zu geben. Der tschechische hat den schönen Namen https: //knihobot.cz/. Das kann einem aber egal sein, weil wenn ein Buch deutschsprachig ist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es von dort aus auf ZVAB verlinkt ist.
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