Donnerstag, 29. Juli 2021
Spielfilme gucken für die Bildung?
Ich habe endlich "Gandhi" von Richard Attenborough gesehen. War eine Idee meiner Frau: damit wir mal was zu dritt gucken können. Mein Sohn hatte nämlich ein Buch über Gandhi gelesen, das ihm sehr gefiel. Zwar liest er eigentlich nicht mehr, seit er in die Pubertät gekommen ist, aber vor 2 Jahren hat ihn mein Vater zu seinem Geburtstag in eine gut sortierte Buchhandlung geschleppt und aufgefordert, als Geschenk ein beliebiges Buch auszusuchen. Das tat er, und er las es dann auch, offenbar mit Gewinn. Anregungen nimmt er immer gern auf.

Der Gandhi-Film war dann eher mau, fanden wir alle drei. Schön anzusehen, angenehm, unterhaltsam und zumindest so fesselnd, dass die Überlänge nicht stört, aber nichts, was einen tiefer bewegt, was einem noch länger im Sinn bleibt. Mich persönlich störte vor allem die Sache mit den Moslems und der Entstehung von Pakistan, da blieben mir die Vorgänge doch viel zu sehr im Nebel.

Schade - ich hatte mir sowas wie "Schindlers Liste" erhofft. Der (also jetzt Spielbergs Film) war zwar künstlerisch viel schlechter, aber von atemberaubender historischer Präzision. Eigentlich muss man ihn als Dokumentarfilm gucken, um ihn genießen zu können.

Vielleicht sollte man Sachtexte/Sachfilme doch wieder stärker von fiktionalem Erzählen trennen. Die Illusion, man könnte sich Sachwissen gemütlich über Spielfilme/Romane erschließen, die funktioniert eben doch nicht. Ich lese gerade den neuen Gert-Loschütz-Roman "Besichtigung eines Unglücks", wieder ein sehr waches Buch, was die Beschreibung gesellschaftlicher Umstände betrifft, da kann man durchaus das eine oder andere lernen, aber das nur am Rande, das würde kein ganzes Buch rechtfertigen. Worum es im Kern geht, was einen umtreibt, noch nachdenken lässt, das ist eben etwas, das über einen Sachtext nicht erzählt werden kann. Dafür sind Spielfilme und Romane da.

Und eben das fand ich in "Gandhi" zu schwach ausgeprägt, von "Schindlers Liste" mal ganz zu schweigen.

... comment

 
Ich habe den Film auch erst vor ca. einem Jahr gesehen.

Das mit dem Bildungseffekt ist wohl auch sehr relativ. Wenn man vorher so gut wie gar nichts über Gandhi wusste (wie ich), ist man hinterher doch etwas schlauer als vorher.

Ich bin jedenfalls mit dem Bild zurückgeblieben, dass dieser Mann fast zu den Heiligen zu zählen ist. Und gleichzeitig war er gewissermaßen ein "Nationalist", der sein Volk befreit hat!

:-)

... link  

 
Ja, ohne Zweifel ein Held, dieser Mann, mit einer bewundernswürdigen Art und Weise des Herangehens an die Dinge - und das bringt der Film auch gut rüber. (Was mir fehlte, war ein über die historisch angemessene Darstellung hinausgehender künstlerischer Mehrwert - aber das ist natürlich subjektiv, ob und inwiefern der sich einstellt.)

Und dass einer Nationalist ist, wenn sein Volk als Ganzes von außen unterdrückt und kolonisiert wird - auch das leuchtet ein. Allerdings zeigt die Geschichte auch die Grenzen des Konstrukts: Mit dem Herannahen des Sieges über den gemeinsamen Feind werden die Unterschiedlichkeiten im eigenen Volk sichtbarer, und aus heutiger Sicht erscheint die brutale Auslagerung der andersartigen, der muslimischen Inder durch die Erfindung von Pakistan/Bangladesch nicht nur unmoralisch, sondern auch sonst ein schlimmer Fehler - mit dessen Folgen die Region heute immer noch leben muss. Eindeutig ist doch damals die Chance verpasst worden, die kulturell unterschiedlichen Volksgruppen miteinander stattt abgegrenzt voneinander leben zu lassen.

... link  


... comment
<