Mittwoch, 22. Januar 2020
Vom Nutzen der Esoterik
Als das bei mir mit der Arthrose losging und ich noch nicht wusste, was das ist, diese grundlos auftauchenden und wieder verschwindenden Schmerzen in der Hand, da empfahl mir eine Kollegin ein antirheumatisches Öl von W*l*da, das mir zwar nicht half, aber so wunderbar roch, wie ich vorher noch nie etwas gerochen hatte.

Und jetzt laboriert meine Frau wieder an dieser rätselhaften Krankheit, die sie schon mehrfach in dieser Jahreszeit, immer so um Ende Dezember, Anfang Januar herum ereilt hat, die sich immer über Wochen hinzieht, mit diffusen Kopf- und Rückenschmerzen und an- und abschwellenden Schwächezuständen. Ihre Hausärztin schreibt sie immer brav krank, ohne ein tiefer gehendes Interesse an den Ursachen des Zustands zu entwickeln. Deshalb geht meine Frau gleichzeitig noch zu einer anderen Ärztin, so einer esoterischen, die das Ganze im Blick hat, von Vitaminmangelerscheinungen bis zu Verwerfungen in der Familiengeschichte ihrer Patientin, und von der meine Frau mit sorgfältig ausgependelten Kügelchen wiederkommt, die immer zunächst einmal die berühmte Erstverschlimmerung auslösen.

Langfristig wirken sich diese seltenen Besuche ungemein kräftigend aus, ich habe den Eindruck, dass sie ganze Psychotherapien ersetzen, an den konkreten aktuellen Beschwerden ändern sie kurzfristig nichts. Deshalb greift meine Frau in ihrer Ratlosigkeit und Verzweiflung zu allen Mitteln, die im Haushalt verfügbar sind und so heute zu meinem fast vergessenen Rheuma-Öl. Als ich im Einschlafen ihre Hand nahm, duftete das wieder so wunderbar, dass mir im Wegdämmern Hofmannsthal in den Sinn kam, die so wunderschöne und kluge Gedichtzeile, dass wir Menschen sind wie kleine Kinder, die den blassgoldenen Mond anstaunen, wie er durchs Geäst des Apfelbaums wandert – und dass wir gleichzeitig aber auch wie dieser Mond sind, so rätselhaft und schön.

Ich muss dann noch irgendwas in der Art geträumt haben, denn nach einer Stunde wachte ich auf, immer noch erfüllt von dem Glück, an diesem Rätsel Leben teilnehmen zu dürfen, dass ich aufstehen musste, das aufschreiben, auch wenn morgen um 6 wieder der Wecker klingelt und viel banale, hässliche Alltagsarbeit auf mich wartet.

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