Freitag, 6. Januar 2012
Kleine Sprach-Kritik: Meint das grammatische Geschlecht auch ein biologisches?
Dass ich voreingenommen bin, merke ich daran, dass ich zu Trömel-Plötz immer Revolver assoziiere. Ich mag halt das revolutionäre Element daran nicht. Denn Revolutionen wachsen aus tatsächlich vorhandenen Ungerechtigkeiten, führen aber in der Regel nicht zu mehr Gerechtigkeit. Natürlich ist es ungerecht, dass sehr lange Zeit die männliche Form einer Bezeichnung (z. B. „der Politiker“) ganz selbstverständlich Männer und Frauen meinte – ja, man kann das sogar diskriminierend nennen, wenn man auf politische Katagorisierungen steht. Nur kann man dagegen nichts tun (Gott sei Dank – das wäre ja noch schöner, wenn man in der Realität bestehende Ungerechtigkeiten – wie hier die Ungleichbehandlung von Mann und Frau – in der Sprache einfach so wegreden könnte!) Jedenfalls funktionieren die vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten nicht: „Auszubildende“ und „Studierende“ statt „Lehrlinge“ und „Studenten“ geht bloß im Plural, also in der Masse, also in öffentlichen Zusammenhängen. (Man merkt das daran, dass das politisch unbrauchbare, private Wort „Liebling“ ganz selbstverständlich auch heute noch für Männer und Frauen Anwendung findet.) Und noch schlimmer ist es mit den Bäcker_innen oder BäckerInnen. Das funktioniert gar nicht, weil man es nicht sprechen kann, nur schreiben, und also nur in Positionspapieren oder anderem Zettelkram anwenden.
Die eigentlich gewollte Revolution, nämlich endlich geschlechtsübergreifende, neutrale Wörter zu finden, hat also nicht geklappt. Was geklappt hat, ist der zerstörerische Teil der Revolution: Männliche Formen werden heute nicht mehr geschlechtsübergreifend verstanden – man muss die Frauen immer extra dazu nennen. Herausgekommen bei der ganzen Kampagne ist also eine überflüssige Sexualisierung und vor allem: der Ausschluss weiblicher Personen aus den allgemeinen Begriffen und damit eine noch stärkere Normierung von Frauen als weiblich. Bis die Leute am Ende gar keine geschlechtsneutralen, allgemein menschlichen Eigenschaften mehr gelten lassen und allen Ernstes glauben, dass „Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“.

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Senta Trömel-Plötz wollte wohl nix Revolutionäres, nur ein klein wenig mehr Gerechtigkeit und als Linguistin eben in der Sprache. Mei – wie der Bayer sagt – kann man machen, warum auch nicht. Problematischer finde ich da schon den ‚Gender Gap’ (also den Unterstrich), der dann einfach physische Unterschiede in die Genderdebatte einmendelt, also nicht mehr sauber zwischen Sex und Gender trennt und damit den Blick auf die Körperlichkeit für meinen Geschmack etwas vernebelt.
Ich habe zu Beginn meines Germanistikstudiums mal einen Sammelband „Das Gelächter der Geschlechter“, herausgegeben von Senta Trömel-Plötz, durchgearbeitet, weil ich mich damals mit Humortheorie beschäftigt habe. Lustigerweise war der einzige Beitrag der sich mal mit der Empirie weiblichen Humors beschäftigt von einem Mann. Dieser Aufsatz war auch der einzige, der etwas Erhellendes zum Thema beizutragen hatte.

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Kann gut sein, dass da wieder die inneren Feindbilder mit mir durchgegangen sind, als ich Trömel-Plötz das Revolutions-Etikett anheftete. Letztendlich mochte ich einfach ihren Schreibstil nicht - ich kenne nur einen Sammelband (aus dem Bücherregal meiner Frau), wo sie - gerade im Vergleich zu ihrer Koautorin Luise Pusch - auf mich doch recht garstig wirkte. In dem Zusammenhang kann Verweis auf die Gender-Sex-Differenz gut dazu dienen, die Diskussion wieder etwas auf den Boden der Sachlichkeit zurückzubringen.

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Ich teile die Kritik an den Ergebnissen der berechtigten Analysen von Pusch und Trömel-Plötz, mit denen ich mich an der Uni auch beschäftigen musste durfte. Ich möchte hinzufügen, dass in besonders "gender-sensiblen" Kreisen, in denen ich zuweilen verkehre, eine Form wie "Bäcker_innen" (so die zur Zeit wohl "korrekte" Schriftform, das Binnen-I scheint ausgespielt zu haben) sehr wohl auszusprechen wissen, nämlich mit einem deutlichen Stimmabsatz vor dem "-innen", also etwa [beka'inen] im Gegensatz zu [bekarinen] ("Bäckerinnen").

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Interessant
Dass man den Unterstrich sogar sprechen kann, finde ich ja schrill. Da plaudere ich unbekümmert über ein vermeintlich allgemein gültiges Thema und ahne gar nicht, dass es natürlich auch hier entsprechende Spezial- und Parallelwelten gibt ...

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Bis die Leute am Ende gar keine geschlechtsneutralen, allgemein menschlichen Eigenschaften mehr gelten lassen und allen Ernstes glauben, dass „Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“.

Trefflich formuliert. Ich weiß nicht, ob es ein Effekt ehemaliger Gleichberechtigungsbestrebungen ist, aber mir fällt auf, dass zunehmend das Trennende zwischen den Geschlechtern betont wird. Natürlich sind wir alle Frau oder Mann (oder manchmal auch etwas dazwischen oder außerhalb dieser Kategorien), aber jüngst sind mir viele Menschen viel zu schnell mit diesen Schubladen bei der Hand, gibt es doch viele, viele Aspekte, die "einfach" nur menschlich sind und uns eher verbinden denn trennen. Mit der Etikettierung "typisch Mann" oder "typisch Frau" wird dem oder der Betreffenden der Handlungs- und Gefühlsspielraum per gesellschaftlichem Diktat eingeschränkt, und wer da eher zart besaitet ist, fragt sich am Ende möglicherweise noch, ob er eine "richtige" Frau, ein "richtiger" Mann ist. Das ändert sich auch nicht, wenn das "typisch" positiv konnotiert wird - beispielsweise, indem sogenannte social skills als typsich weiblich und zunehmend als erstrebenswert aufgefasst werden. Das macht immer ein Geschlecht zum weniger erstrebenswerten Zustand.

Bemerkenswert, dass die WortklauberInnen sich damit eigentlich ins eigene Knie geschossen haben. Aber irgendwie auch symptomatisch dafür, dass wir auf Teufel komm raus alles werten müssen.

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Mir fiel das übrigens zum ersten Mal richtig auf, als vor einigen Jahren mein Sohn zum ersten Mal "Wickie und die starken Männer" sah. Da sagte er: "Stimmt's Papa, das dürfen nur Jungens gucken?" Eine solche Deutung wäre mir, als ich in seinem Alter war, nicht im Traum eingefallen.

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Ich kann nicht einparken. Und dadran wird auch kein politischer Diskurs was ändern. mehr Fahrpraxis vielleicht.

An der Uni Göttingen müssen alle Arbeiten im Fache Soziologie jetzt in gender-sprech geschrieben werden, sonst gibt es Punktabzug.

Ob das auch was ändert? Die Haltung gegenüber Langzeitarbeitslosen hat sich ja auch nicht geändert weil das Jobcenter jetzt Kunden hat.

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Sturmfrau und damals, sie sprechen mir aus dem Herzen!

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