Mittwoch, 5. Februar 2025
DDR-Kunst, wiedergesehen
damals, 14:02h
In Potsdam wurde vor einigen Jahren das Terrassenrestaurant „Minsk“, ein Vorzeigebau der DDR-Moderne, vor dem Abriss gerettet, und zwar durch einen reichen westdeutschen Kunstsammler, den SAP-Mitgründer Hasso Plattner, der die Ruine kaufte, aufwendig renovieren ließ und als Kunsthaus „Das Minsk“ wiedereröffnete. Das Haus sollte sich der Kunstwelt Ostdeutschlands öffnen, wie schon die Eröffnungsausstellung zeigte: eine Doppelschau mit Werken des berühmten Leipziger Malers Wolfgang Mattheuer und des amerikanischen Fotografen Stan Douglas, der sich mit klugen Einblicken in Potsdamer Schrebergärten präsentierte.
Die folgenden Ausstellungen hatten dann meist weniger mit ostdeutscher Kunst zu tun – die beste davon, eine Werkschau des amerikanischen Malers Noah Davis, gar nichts mehr. Es ist zu vermuten, dass das Plattner nicht gefiel, denn kurz darauf verließ die Leiterin Paola Malavassi nach erst 2 Jahren das Haus. Seit dem 2. Februar kann man nun im „Minsk“ zunächst einmal DDR-Kunst aus der Sammlung Plattner sehen, in einer Ausstellung mit dem Titel „Im Dialog“.
Das Konzept der Ausstellung orientiert sich an einem Interview-Band des Kunstkritikers Henry Schumann aus dem Jahr 1976. Schumann hatte versucht, die Bildende Kunst seines Landes als subjektiv und individuell zu präsentieren, indem er KünstlerInnen in langen Interviews zu Wort kommen ließ, und das ausgerechnet in dem berühmten Jahr 1976, als die Kulturpolitik noch einmal repressiver, die staatliche Kontrolle umfassender wurde. Wahrscheinlich hat Schumanns Konzept schon damals nicht funktioniert. Das Minsk zeigt ein entlarvend realistisches Schumann-Portrait von dem Maler Arno Rink. Mit der scharfkantigen Genauigkeit der Leipziger Schule portraitiert dieser das verkniffene Gesicht des Kritikers in einer Atelier-Situation - es wird klar: Ehrlich, frei ging es nicht zu zwischen Kritiker und KünstlerInnen.
Entsprechend vorsichtig, traditionell und privat, geben sich die Bilder der Zeit um 1976: ein eindringlich impressionistisches Interieur mit seiner Frau von Wolfgang Mattheuer, ein stimmungsvoller Blick auf Alexisbad im Harz von Willi Sitte, ein skurril-humoriger Parkspaziergang von Peter Herrmann.
In einem zweiten Raum versucht die Ausstellung, Schumanns Dialog-Idee mit etwas provokanteren Werken aufzugreifen, überwiegend aus der Zeit nach 1976. Offenbar geht es hier darum, zeittypische Positionen, kulturhistorische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Die Grundidee dabei: staatsnahe Kunst der staatsskeptischen gegenüberzustellen. Einleuchtend wirkt die Gegenüberstellung jedoch nicht, im Gegenteil. So fragt man sich zum Beispiel, wieso die mit Abstand schärfste Kritik an den realsozialistischen Zuständen ausgerechnet vom anerkannten Staatsmaler Mattheuer kommt, während die Bilder der Widerständigen Kerbach, Schleime, Herrmann ziemlich sprach- und aussagelos wirken. Könnte es vielleicht sein, dass sich gerade in diesen Werken der Zweifler und Angefeindeten der Erfolg der staatlichen Denk- und Sprechverbote am deutlichsten manifestiert?
Dazu würde passen, dass die künstlerisch freiesten unter den Werken der Widerständigen die Mail-Art-Objekte von Wolf-Rehfeld und Schulz sind, die mit ihrem minimalistischen Dadaismus wie unter dem Radar fliegen und deren ausdrückliche Verweigerung von Sinn und Ernst es ihnen ermöglicht, im spielerischen Kritzeln und Herumtippen auf der Schreibmaschine zu einer freien Sinnentfaltung zu kommen.
Jedenfalls machen diese kleinen Objekte Spaß, verströmen einen Geist von Freiheit, der den großen Leinwänden von Kerbach, Ebersbach oder Firit abgeht, die ebenso verkopft und verkrampft daher kommen wie die im selben Raum ausgestellten großen Schinken von Sitte.
Vielleicht gibt es ihn gar nicht, den Gegensatz zwischen Staatskünstlern und Widerständigen – die zeichenhafte, fast comicartig ruppige Malweise zum Beispiel, mit der Mattheuer den „Koloss II“ gestaltet, sie findet sich genauso in Günter Firits „Selbstzerstörung“.
Als ich durch die Ausstellung ging, musste ich zurückdenken an die Gemälde von Noah Davis, die ich vor kurzem in denselben Räumen gesehen habe, auch er ein Widerständiger. Als schwarzer US-Amerikaner malte er wütend gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit an. Offenbar war es in seinem Land möglich, das klar auszudrücken und zur großen Form werden zu lassen. Bei den DDR-Künstlern der aktuellen Ausstellung des Minsk erlebte ich eher ein unwürdiges Versteckspiel, ein Verstecken hinter intellektuellen Formeln wie bei Mattheuer, hinter aufgesetztem Pathos wie bei Ebersbach und Sitte oder in einem nebulösen Irgendwo wie bei Händler.
Ich verließ die Ausstellung mit einem Gefühl von Kälte und Tristesse. War die DDR-Kunst wirklich so trostlos oder ist das dem persönlichen Geschmack und der Ankaufpolitik des Mäzens zu verdanken? Oder gar der Auswahl des Kurators Daniel Milnes aus Plattners doch umfangreicher Sammlung? Und wieso sammelt ein reicher Unternehmer aus dem Westen überhaupt mit solcher Ausdauer diese Kunst und errichtet ihr sogar ein eigenes Museum?
Vielleicht werden uns ja die kommenden Minsk-Ausstellungen unter der neuen Leitung Aufschluss darüber geben. Das könnte dann noch spannend werden.
Die folgenden Ausstellungen hatten dann meist weniger mit ostdeutscher Kunst zu tun – die beste davon, eine Werkschau des amerikanischen Malers Noah Davis, gar nichts mehr. Es ist zu vermuten, dass das Plattner nicht gefiel, denn kurz darauf verließ die Leiterin Paola Malavassi nach erst 2 Jahren das Haus. Seit dem 2. Februar kann man nun im „Minsk“ zunächst einmal DDR-Kunst aus der Sammlung Plattner sehen, in einer Ausstellung mit dem Titel „Im Dialog“.
Das Konzept der Ausstellung orientiert sich an einem Interview-Band des Kunstkritikers Henry Schumann aus dem Jahr 1976. Schumann hatte versucht, die Bildende Kunst seines Landes als subjektiv und individuell zu präsentieren, indem er KünstlerInnen in langen Interviews zu Wort kommen ließ, und das ausgerechnet in dem berühmten Jahr 1976, als die Kulturpolitik noch einmal repressiver, die staatliche Kontrolle umfassender wurde. Wahrscheinlich hat Schumanns Konzept schon damals nicht funktioniert. Das Minsk zeigt ein entlarvend realistisches Schumann-Portrait von dem Maler Arno Rink. Mit der scharfkantigen Genauigkeit der Leipziger Schule portraitiert dieser das verkniffene Gesicht des Kritikers in einer Atelier-Situation - es wird klar: Ehrlich, frei ging es nicht zu zwischen Kritiker und KünstlerInnen.
Entsprechend vorsichtig, traditionell und privat, geben sich die Bilder der Zeit um 1976: ein eindringlich impressionistisches Interieur mit seiner Frau von Wolfgang Mattheuer, ein stimmungsvoller Blick auf Alexisbad im Harz von Willi Sitte, ein skurril-humoriger Parkspaziergang von Peter Herrmann.
In einem zweiten Raum versucht die Ausstellung, Schumanns Dialog-Idee mit etwas provokanteren Werken aufzugreifen, überwiegend aus der Zeit nach 1976. Offenbar geht es hier darum, zeittypische Positionen, kulturhistorische Zusammenhänge zu verdeutlichen. Die Grundidee dabei: staatsnahe Kunst der staatsskeptischen gegenüberzustellen. Einleuchtend wirkt die Gegenüberstellung jedoch nicht, im Gegenteil. So fragt man sich zum Beispiel, wieso die mit Abstand schärfste Kritik an den realsozialistischen Zuständen ausgerechnet vom anerkannten Staatsmaler Mattheuer kommt, während die Bilder der Widerständigen Kerbach, Schleime, Herrmann ziemlich sprach- und aussagelos wirken. Könnte es vielleicht sein, dass sich gerade in diesen Werken der Zweifler und Angefeindeten der Erfolg der staatlichen Denk- und Sprechverbote am deutlichsten manifestiert?
Dazu würde passen, dass die künstlerisch freiesten unter den Werken der Widerständigen die Mail-Art-Objekte von Wolf-Rehfeld und Schulz sind, die mit ihrem minimalistischen Dadaismus wie unter dem Radar fliegen und deren ausdrückliche Verweigerung von Sinn und Ernst es ihnen ermöglicht, im spielerischen Kritzeln und Herumtippen auf der Schreibmaschine zu einer freien Sinnentfaltung zu kommen.
Jedenfalls machen diese kleinen Objekte Spaß, verströmen einen Geist von Freiheit, der den großen Leinwänden von Kerbach, Ebersbach oder Firit abgeht, die ebenso verkopft und verkrampft daher kommen wie die im selben Raum ausgestellten großen Schinken von Sitte.
Vielleicht gibt es ihn gar nicht, den Gegensatz zwischen Staatskünstlern und Widerständigen – die zeichenhafte, fast comicartig ruppige Malweise zum Beispiel, mit der Mattheuer den „Koloss II“ gestaltet, sie findet sich genauso in Günter Firits „Selbstzerstörung“.
Als ich durch die Ausstellung ging, musste ich zurückdenken an die Gemälde von Noah Davis, die ich vor kurzem in denselben Räumen gesehen habe, auch er ein Widerständiger. Als schwarzer US-Amerikaner malte er wütend gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit an. Offenbar war es in seinem Land möglich, das klar auszudrücken und zur großen Form werden zu lassen. Bei den DDR-Künstlern der aktuellen Ausstellung des Minsk erlebte ich eher ein unwürdiges Versteckspiel, ein Verstecken hinter intellektuellen Formeln wie bei Mattheuer, hinter aufgesetztem Pathos wie bei Ebersbach und Sitte oder in einem nebulösen Irgendwo wie bei Händler.
Ich verließ die Ausstellung mit einem Gefühl von Kälte und Tristesse. War die DDR-Kunst wirklich so trostlos oder ist das dem persönlichen Geschmack und der Ankaufpolitik des Mäzens zu verdanken? Oder gar der Auswahl des Kurators Daniel Milnes aus Plattners doch umfangreicher Sammlung? Und wieso sammelt ein reicher Unternehmer aus dem Westen überhaupt mit solcher Ausdauer diese Kunst und errichtet ihr sogar ein eigenes Museum?
Vielleicht werden uns ja die kommenden Minsk-Ausstellungen unter der neuen Leitung Aufschluss darüber geben. Das könnte dann noch spannend werden.
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