Samstag, 5. April 2014
Ein Event nach meinem Geschmack
Ein großzügiges öffentliches Gebäude aus der Zeit der Industrialisierung, ein bisschen pathetisch die Architektur und noch mehr bürokratisch: Das war schonmal ein guter Anfang. Auf der Freitreppe zum Eingang lauter junge Menschen, offenbar Studenten. Weit offen stehende Tür. Der Hörsaal selbst gefüllt mit Menschen verschiedenen Alters. Gemeinsam erwartete man den Star.
Und der kam pünktlich – und underdressed, wie es sich für einen Star gehört: eine ältere Frau in ollem schwarzen Anorak, mit einem ebensolchem Einkaufsbeutel betrat den Saal, lange, üppig schwarze Haare, dazu ein Großmuttergesicht: Emine Sevgi Özdamar.
Aber zuerst musste natürlich eine Vorgruppe spielen: Ein „Vizepräsident der Universität“ trat auf, der diese Rolle ideal verkörperte: Halbglatze und Anzug, ein gebildeter, offenbar staubtrockener Mensch, der keine Ahnung von der Materie hatte, aber gekonnt ein paar freundliche Grußworte äußerte. Dann die Vertreterin des Sponsors, eine blonde Ische mittleren Alters, die Brille ins offene Haar geschoben – sie bestritt mit ihrem kenntnisreichen, etwas zickigen Vortrag die inhaltliche Einführung. Endlich kam dann die Frau vom Fach dran. Auch sie ging ganz in ihrer Rolle auf: Literaturprofessorin. Geblümtes Kleid, hochgesteckte Haare, große kullerige Augen, eine sanfte und kluge Sprache – und dann hieß sie auch noch „Gutjahr“.
Frau Gutjahr also führte das Gespräch mit Frau Özdamar. Aber so richtig kam sie nicht zum Zuge. Sie wollte immer auf grundsätzliche Fragen kommen: Worum es in Emine Özdamars Texten eigentlich geht, wie ihre Anfänge waren, wie sie sich jetzt positioniert. Özdamar ging auch auf diese Fragen ein, aber vor allem machte sie immer wieder das, was sie am besten kann: erzählen - von den Urinverkäufern in Istanbul, von der unterschiedlichen Benutzungsweise von Gehwegen in Ost- und Westberlin, von den großspurigen Posen ihres Vaters (die sie herrlich nachmachen konnte), ... So wurde es ein echtes Gespräch, keine der beiden Frauen führte das Gespräch, sie führten es miteinander. Und ich fand sie alle beide entzückend.
Als ich am Ende rausging zu meinem Fahrrad, dachte ich zuerst: Guck mal an, keinen Cent bezahlt und doch besser unterhalten worden als bei einem normalen Kinobesuch. Aber das war es gar nicht. Es war ein Gruß aus einer anderen Welt, aus der Welt der Heimatlosen, der ich auch entstamme. Emine Sevgi Özdamar gehört nach eigener Aussage auch zu den Menschen, die sich in der Eisenbahn am wohlsten fühlen, zwischen den Orten. Aus dieser Sicht erzählt sie und das macht ihre Erzählungen so schön, so berührend. Ich lebe längst hier. Aber das, das war ein Gruß aus der Heimat.

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