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Montag, 16. Februar 2009
Lehrer zweiter Klasse, Teil 6
damals, 17:05h
Zwei Monate später war Abitur. Ich hatte mit einer Gymnasiallehrerin aus den Elbvororten zu kooperieren, um die Anerkennung der deutschen Schulbehörde abzusichern. Eine echte Gymnasiallehrerin: links, burschikos, bürgerlich. Als Zweitgutachterin bestand ihre Aufgabe darin, den elitären Privatschülern ein bisschen auf den Zahn zu fühlen und ihre Leistungen mit den Normen des Hamburger Abiturstandards abzugleichen. Ich nahm das leider sehr persönlich. Halbwegs schon rausgeworfen und nur für den Abiturkurs noch geduldet, hatte ich an meiner Privatschule die Stellung eines Exoten inne. „Ja, du und deine Abiturklasse, ihr passt schon zusammen.“ sagte meine Deutschkollegin immer, ein bisschen mitleidig. Und so war es. Weil es den Schülern gefiel, ließ man mich machen. Ein Curriculum gab es nicht. Wir lasen monatelang die „Buddenbrooks“ (den Roman hatten die Schüler freiwillig ausgewählt) und analysierten dann die schöne Verfilmung aus den fünfziger Jahren. Mein Zugeständnis an den vermeintlichen Oberstufen-Kanon, das Thema „Kommunikationstheorie“, versuchte ich der Banalität zu entreißen, indem ich Gesten von Emmanuelle Beart in einem Claude-Sautet-Film und sophistische Sprüche von Sven Regener aus „Neue Vahr Süd“ analysieren ließ.
Aber schöne Unterrichtstunden sind das eine, Abitur ist etwas anderes. Schon einige von den Klausuren hatte die Zweitgutachterin auseinandergepflückt. In den Kommentaren sang sie das Hohe Lied vom Transfer. Gepflegtes Schreiben – und was beispielsweise S., die Tochter eines Spiegelredakteurs, schrieb, das war nicht mehr nur gepflegt, das war göttlich – tat da nichts zur Sache. Die mündliche Prüfung begann mit K., einem Mädchen aus der polnischen Nomenklatura. Sie kam gut durch. Ihr osteuropäisch-schnoddriger Stil, der sie an meiner feinen Privatschule zu manchem Strafgespräch ins Büro der Direktorin gebracht hatte, wurde von der deutschen Lehrerin als kämpferisch belobigt, während die stille, kluge C., Tochter einer deutschen Entwicklungshelferin und ihres schwarzen Mannes, vor ihr gar keine Chance hatte. Zu brav. Dasselbe Verdikt fiel über ihre Mitschüler herein. Verwundert sah mich der Prüfungsvorsitzende an, als die Noten dann festgelegt wurden. Aber ich rettete meine Schüler nicht. Ich sagte gar nichts. Es war wie vor der sechsten Klasse – totale Lähmung.
Am Ende waren alle sauer: die Schüler, die Direktorin, und ich auch. Ich sehe noch die weiße Stretchlimousine vor mir, die I.s Vater zur Abiturfeier vor der Schule hatte auffahren lassen, und sehe mich selber, wie ich versuche, mich hinter dem Auto zum Ausgang zu schleichen. Natürlich auch das erfolglos.
Aber schöne Unterrichtstunden sind das eine, Abitur ist etwas anderes. Schon einige von den Klausuren hatte die Zweitgutachterin auseinandergepflückt. In den Kommentaren sang sie das Hohe Lied vom Transfer. Gepflegtes Schreiben – und was beispielsweise S., die Tochter eines Spiegelredakteurs, schrieb, das war nicht mehr nur gepflegt, das war göttlich – tat da nichts zur Sache. Die mündliche Prüfung begann mit K., einem Mädchen aus der polnischen Nomenklatura. Sie kam gut durch. Ihr osteuropäisch-schnoddriger Stil, der sie an meiner feinen Privatschule zu manchem Strafgespräch ins Büro der Direktorin gebracht hatte, wurde von der deutschen Lehrerin als kämpferisch belobigt, während die stille, kluge C., Tochter einer deutschen Entwicklungshelferin und ihres schwarzen Mannes, vor ihr gar keine Chance hatte. Zu brav. Dasselbe Verdikt fiel über ihre Mitschüler herein. Verwundert sah mich der Prüfungsvorsitzende an, als die Noten dann festgelegt wurden. Aber ich rettete meine Schüler nicht. Ich sagte gar nichts. Es war wie vor der sechsten Klasse – totale Lähmung.
Am Ende waren alle sauer: die Schüler, die Direktorin, und ich auch. Ich sehe noch die weiße Stretchlimousine vor mir, die I.s Vater zur Abiturfeier vor der Schule hatte auffahren lassen, und sehe mich selber, wie ich versuche, mich hinter dem Auto zum Ausgang zu schleichen. Natürlich auch das erfolglos.
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