Mittwoch, 11. Februar 2009
Lehrer zweiter Klasse, Teil 3
Und so passierte es öfter, dass sie morgens um 8 Uhr anrief, weil irgendein Dozent nicht erschienen war, und ich ab neun Uhr acht Stunden Deutschunterricht aus dem Stegreif gab.
Der Unterricht fand statt auf zwei Etagen in einem ansonsten leeren Bürohochhaus. Jeden Morgen kurz vor neun belebte sich plötzlich der Hof, standen Raucher vor der Tür, waren die Fahrstühle überfüllt Ich unterschied sie zuerst nach Gruppen: die liebevollen, aber neurotischen Afrikaner; die groben, herzlichen Türken; die phlegmatischen, depressiven russischen Männer mit ihren kalten, fleißigen Frauen – und die kultivierten, manchmal arroganten, meist still verzweifelten Menschen aus dem östlichen Arabien.
Natürlich war das zunächst ein gutes Arbeiten. Jeder echte Lehrer wird mir das bestätigen: Vertretungsstunden sind einfach. Man ist für nichts verantwortlich, muss nur irgendwie die Zeit füllen – und wenn man den Leuten tatsächlich noch was Interessantes beibringen kann, wird man für einen tollen Pädagogen gehalten.
Nach der Niederlage an der Privatschule war mir diese Erfahrung sehr willkommen. Die Tatsache, dass mir Arbeitslosengeld zugestanden hätte, dass ich hätte zu Hause bleiben können, bis ich eine vernünftige Arbeit gefunden hätte, übersah ich geflissentlich. Ich stürzte mich in den Lohndumping-Bereich mit dem Gefühl, endlich etwas wert zu sein. So wie diese aus Profitgründen schnell zusammengezimmerte GmbH vorgab, eine Bildungseinrichtung zu sein, so wie diese überwiegend orientierungs- und chancenlosen Maßnahmeteilnehmer so taten, als gingen sie einer geregelten Tätigkeit nach, so gab ich eben den routinierten Lehrer.

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