Dienstag, 10. Februar 2009
Lehrer zweiter Klasse, Teil 2
Es dauerte nicht lange, dass auf meine zahl- und wahllosen Bewerbungen eine Antwort kam. Es ging um eine Stelle als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache. Am Telefon war ein Mann mit einer lockeren, fröhlichen Stimme, der sich als Mitarbeiter einer Personalvermittlungsfirma vorstellte und mir sagte, dass sie jemanden wie mich für Ihren Kunden brauchten. „Es gibt 22 € pro Stunde!“ wiederholte er mehrfach begeistert. Nur auf Nachfragen sagte er, worum es eigentlich inhaltlich geht: Deutschunterricht für arbeitslose Ausländer. Weiter gehende Informationen über seinen Kunden schien er nicht zu haben oder geben zu wollen.
Ich fand, dass das nun kein Stundenpreis war, um in Begeisterung auszubrechen, aber immerhin. DaF (Deutsch als Fremdsprache) hatte ich oft genug unterrichtet, und Berührungsängste mit Unterschichten oder anderen irgendwie abweichenden Kulturen hatte ich auch nicht.
Zum Vorstellungsgespräch waren wir vier Bewerber. Wir saßen zu beiden Seiten eines Tisches, ans Kopfende setzte sich Frau Meyer, unsere potentielle Chefin, und stellte, wie das so üblich ist, zunächst ihre Firma vor: Diese bestand in erster Linie aus ihr selber, einer quirligen, massigen Vierzigerin mit hennaroten Haaren und nie still stehendem Mundwerk. Für ein großes Mutterunternehmen, für das sie nur Verachtung hatte und zu dem, wie sich herausstellte, auch die ominöse Personalvermittlungsagentur gehörte, die uns angeworben hatte – für dieses Unternehmen führte sie also die Geschäfte dieser kleinen, scheinbar nicht auf längere Lebensdauer angelegten GmbH – zusammen mit einer befristet angestellten Sekretärin, zwei von der Mutterfirma ausgeborgten Lehrkräften und einer Unmenge von Honorardozenten. Die Mutterfirma hatte die Ausschreibung irgendeiner Arbeitsamtsmaßnahme für arbeitslose Ausländer gewonnen und dafür die Firma ins Leben gerufen. Also war die Firma eigentlich gar keine Firma: Aufträge und Weisungen kamen vom Mutterunternehmen, die Arbeitsverträge schrieb die Personalagentur aus, ... – nur die Arbeit selbst machte Frau Meyer mit ihren Dozenten.
Und die hatte gut schimpfen, und das tat sie auch: eine geschlagene Stunde lang, während der wir Bewerber irgendwann zwischendurch je zwei Minuten bekamen, uns ebenfalls vorzustellen. „Ja, ich würde Sie schon nehmen“, sagte sie auf unsere bemühten Ausführungen, „aber 22 Euro gibt’s natürlich nur für Freiberufler. Wenn Sie unbedingt wollen, kann ich Sie natürlich auch fest einstellen, für drei Monate und halb so viel Stundenlohn. Also, ich würd es Ihnen nicht raten ...“ Und dann zog sie weiter her über ihre Arbeit- und Auftraggeber.
Tatsächlich gelang es ihr, zwei der Bewerber abzuschrecken. Ich selber war zwar enttäuscht, ließ mich aber als Springer für Notfälle vormerken - die Firma lag keine 15 Fahrradminuten von meinem Zuhause entfernt, und irgendwie hatte mich Frau Meyers quietschlebendiger Sarkasmus auch mitgerissen.

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